Die LG Mauerweg hat zum fünften Nachtlauf geladen, es sollte von S-Bahnhof Nikolassee zum Hauptbahnhof gehen: 67 Kilometer, Start 22.00 Uhr. 50 Läuferinnen und Läufer haben sich angemeldet, 43 sind zum Start gekommen. Unter ihnen auch Mauerwegläufer John Kupferschmidt alias Mister Slow Run, der die Aufgabe übernommen hat, die dritte Gruppe zu leiten.

Startfoto Nachtlauf
43 Läuferinnen und Läufer auf dem Weg in eine stürmische Nacht – ganz rechts (hockend) Guide John Kupferschmidt, der Autor dieses Bericht

„Da ich noch arbeiten musste, habe ich im Radio den Wetterbericht verfolgt und am Abend im Internet nachgeschaut. Die Wettervorhersage für die Nacht 13 Grad, Regen und starker Wind mit Böen bis zu 80 km/h.

Pünktlich um  22 Uhr war Start, es gab drei Tempo-Gruppen. Ich sollte die Schlussgruppe mit einen Tempo von 7:30 min./km durch die Nacht führen. Bis zum ersten VP sollten alle zusammen laufen, was auch ganz gut klappte. Kaum waren wir im Wald, aber schon der erste Halt: Ein Ast ist einem der Läufer an den Kopf geflogen. Er hatte eine leichte Platzwunde, konnte aber weiterlaufen.

Nach den ersten VP haben sich die endgültigen Gruppen gefunden. Ich habe einen Becher Wasser getrunken, laut angesagt Gruppe 7:30 läuft weiter, da haben sich mir vier Läufer und eine Läuferin angeschlossen. Nach und nach haben die anderen Gruppen uns überholt, und wir bildeten die Schlussgruppe. Immer darauf bedacht, die Gruppe zusammen zuhalten und sicher durch die Nacht zu bringen, habe ich das Tempo dem schwächsten Läufer angepasst.

Am VP 2 haben wir noch die 7.00-Gruppe gesehen, ein kurzes Hallo und schon ging es weiter. Ein umgestürzter Baum und viele Äste lagen auf unserem Weg. Leichter Nieselregen und starker Wind. Mein Garmin zeigte auf einmal „Batterie schwach“ an. Bei einem Läufer fiel die Stirnlampe aus, sodass ich bei diesem Läufer blieb. Kurz vor VP 3 dann der Ausfall meines Garmin. Zuhause wollte ich noch die Batterien auswechseln, das hatte ich vergessen! In meinem Rucksack hatte ich ein Erste-HilfeSet, eine Silberfolie und persönlichen Bedarf. Aber keine Batterien!! Meine erste Frage beim VP: „Habt Ihr Batterien?“ Die Antwort: „Ja.“ Neue Batterien eingesetzt, Stirnlampe ausgewechselt, und weiter konnte es gehen.

Bis VP 4 dann ohne Probleme locker durch gelaufen. Nur aus meinem Kopf konnte ich nicht das Lied „Ein Freund, ein guter Freund“ bekommen. Wir waren einen Tag vorher bei einem Konzert der Comedian Harmonists, wo das Lied gesungen wurde und dadurch in meinem Kopf blieb. Bei VP 4 ist ein Läufer ausgestiegen, er hatte Knieprobleme.

Auf den Weg zu VP 5 hat die Gruppe dann das Tempo langsam erhöht, Wir haben dann noch die 7.00er-GGruppe am VP 5 gesehen. Nach einem Blick auf die Uhr „6:45“! – Viel zu schnell. Bis VP 6 haben wir uns dann wieder an ein 7:30er-Tempo gehalten, mit schnellen Geh-Einheiten. Mittlerweile konnten wir unsere Stirnlampen aus machen.

Bei VP 7 haben sich zwei weitere Läufer unserer Gruppe angeschlossen. Jetzt begannen für mich als Guide die Probleme. Da beide Läufer langsamer waren, lief die Gruppe im gewohnten Tempo vor, um dann zu gehen, damit die zwei aufschließen konnten. Der erste Läufer lief an uns vorbei. Er sagte, er könne nicht stehen bleiben und lief weiter – und der zweite konnte nicht aufschließen.

Also habe ich die anderen langsam vorlaufen lassen und  bin beim letzten Läufer geblieben. Alles mit Blickkontakt, als die Gruppe nicht weiter wusste, hat sie gewartet. Nur der erste Läufer nicht, der lief gerade aus und natürlich falsch, ich habe gerufen wie ein Wilder! Die Gruppe versuchte auch, ihn zurückzurufen, er sagte nur, dass er eine Abkürzung läuft. Wir sind dann den richtigen Weg gelaufen. Am VP 8 habe ich dann gefragt, ob der Läufer vorbei kam, dies wurde mir bestätigt. So konnte ich mich wieder auf meine Gruppe konzentrieren. Die Gruppe lief langsam weiter und ich bin beim schwächsten Läufer geblieben. Am VP 9 noch kurz was trinken und weiter ging es. Als wir dann am Reichstag vorbei kamen, war die Gruppe nicht mehr zu halten, alle wollten nur noch ins Ziel.

Kurze Zeit später haben auch wir das Ziel unter Applaus erreicht. Insgesamt habe ich meine Gruppe in knapp 9 Stunden 30 ins Ziel gebracht. Zwei Läufer haben das erste Mal eine Strecke von 67 Kilometern zurückgelegt. Habe dafür dankende Worte bekommen, was mir sagt, dass ich meine angenommenen Pflichten gut erfüllt habe.

Nach einen kleinen Frühstück, Obstsalat mit Joghurt, einer Tasse Tee und diversen Gläsern O-Saft habe ich meinen Rucksack geschultert und bin nach Hause gelaufen. Dabei habe ich mir den Lauf noch mal durch den Kopf gehen lassen. Zu Hause angekommen, waren 80 km geschafft.

Dies war meine letzte lange Laufeinheit vor den 100 Meilen, jetzt kann ich die 24 Stunden (meine Zielsetzung) angehen.

Mir persönlich hat das Ganze sehr viel Spaß gemacht, auch wenn ich mich über den Ausreißer geärgert habe. Solch eine Aktion kann viele Probleme mit sich bringen, zumal er erst fragt, ob er sich der Gruppe anschließen kann. Ich weiß nicht ob er sich auskennt, sollte das nicht der Fall sein, beginnt die Sucherei. Was mache ich, wenn die anderen hinterher gelaufen wären? Auf der einen Seite ein Läufer, der nicht mehr kann und auf der anderen eine Gruppe, die sich verläuft. Im Ziel war mein Ärger aber wieder verflogen.

Sollte bis nächstes Jahr nicht dazwischen kommen, würde ich mich freuen, wenn man mich wieder fragt, ob ich die 7:30er-Gruppe übernehme.

Ein großes DANKE an alle, die geholfen haben diesen Nachtlauf durchzuführen.“

Mister Slow Run

Text: John Kupferschmidt, Foto: Marion Setzefand

Anmerkung der Redaktion:
Wir freuen uns, dass alle Beteiligten gut angekommen sind und dass sich die Sache intern auch schon aufgeklärt hat: Der Läufer hatte anderen Laufkollegen in der Gruppe Bescheid gegeben, nicht aber dem Guide persönlich. Bei diesem war durch das Stille-Post-System aber nicht die ganze Information angekommen, und so machte er sich als Verantwortlicher verständlicherweise die beschriebenen Sorgen.
Dieses Erlebnis zeigt uns, dass viele von uns in einer so langen Laufnacht anders funktionieren und die Umgebung auch anders wahrnehmen als normalerweise. Deshalb ist in allem, was man tut, erhöhte Aufmerksamkeit geboten – das betrifft auch die Kommunikation untereinander.