Im Januar 2015 war Matze Weiser in Rodgau erstmals einen Wettkampf mit mehr als 10 Kilometern Länge gelaufen – er hatte erfolgreich die 50 Kilometer bewältigt! Die logische Konsequenz für ihn, nach diesem gemeinsamen Erlebnis mit den Vereinskameraden? 2016 war er wieder dabei…

„Im Vorfeld habe ich jedem, der es hören wollte oder auch nicht, von dem wunderbaren Flair in Rodgau erzählt, das ich dort erlebt habe. Ich wollte andere ermutigen, in 2016 auch dort zu starten. Auf meinen Bericht, den ich über meine Erfahrungen verfasst habe, wurde ich auch oft angesprochen.

Durch viele Gespräche der Rodgau-Starter von 2015 mit den LGM-Mitgliedern, Berichte auf der Homepage und den Newslettern, einer Gruppe in Facebook, die Koordination der Anreise durch den Verein, die auch diesmal wieder Harald übernommen hat, entstanden bis zum 28. Januar 40 Anmeldungen für den Rodgau-Ultramarathon. Durch ein paar Absagen starteten letztendlich 37 für die LG Mauerweg. Das sind 22 mehr als vor zwölf Monaten. Es waren sehr viele Rodgau-Erststarter, wobei einige die 50km-Wettkampf-Distanz überhaupt zum ersten in Angriff nahmen. Ein Fototermin wurde vorher angekündigt. Diese eindrucksvolle neongelbe Teilnehmerzahl erregte natürlich Aufsehen am Veranstaltungstag. Der Veranstalter bat uns zum Start-Zielbereich, wo sich zunächst 20 LGM-Mitglieder einfanden. Über den Sprecher konnten dann auch fast alle weiteren erreicht werden. Es gab mehrere Anläufe ein vollständiges Foto hinzubekommen, denn immer wieder kamen weitere Schwarzgelbe dazu. Dieses lustige Spiel wiederholte sich viermal, ergab eine lustige Einstimmung auf das Event und war mein erster persönlicher Rodgau-Moment 2016. Wir sind einfach ein toller Verein.

Startfoto LGM Rodgau 2016

Meine ganz persönliche Einstimmung fand schon viel früher statt. Für meinen zweiten Start in Rodgau wollte ich mir eine persönliche Startnummer sichern. Erst sollte es die 300 werden, aber die war schon vergeben, so dass ich mich auf 333 fixierte. Am 3. Oktober konnte ich mir diese mit etwas Geduld sichern, da die Startnummern nach der Reihenfolge des Anmeldeeinganges vergeben wurden. Noch vier Monate bis zum Start und meine Überlegungen für die Vorbereitung begannen.

Diese würde im Vergleich zum Vorjahr anders aussehen. Ende Dezember bin ich in Andalusien erstmals einen Marathon-Wettkampf allein gelaufen, das heißt ohne Begleitung eines mir bekannten Läufers. Sehr zufrieden mit der Renneinteilung und Zeit konnte ich dieses Erlebnis als weitere Erfahrung verbuchen, dass ich auch allein lange Strecken bewältigen kann. Bei Sigrid Eichners Laufserie über den Jahreswechsel habe ich im Abstand von zwei Wochen jeweils den Marathon mit 600 Höhenmetern gefinisht, wobei ich hier wieder die für mich moralisch wichtige Unterstützung anderer teilnehmender Mauerwegläufer hatte. Ich hatte überlegt meine Januarvorbereitung ähnlich zu gestalten wie 2015, was sich durch den Marathon am 3. Januar schon erledigt hatte. Eine Abstimmung mit Andreas Deák ergab zusätzlich eine Abweichung. An den folgenden Sonntagen habe ich 25, 27 und 17 Kilometer bewältigt und einige schnelle Läufe über zehn Kilometer an Dienstagen absolviert. Mit rund 150 Kilometern im Januar wollte ich in der Wettkampfwoche noch einmal lockere zehn Kilometer laufen. Dieses habe ich aus Vorsicht wegen anhaltenden Hustens allerdings nicht in die Tat umgesetzt.

Anderseits war ich gut ausgeruht und bin am Freitag mit einem vom Verein organisierten Bus guter Dinge Richtung Süden mit sieben weiteren Mauerwegläufern aufgebrochen. Während der Fahrt wurde natürlich auch über Zielzeiten gesprochen. Ich wollte die Fünf-Stundenmarke in Angriff nehmen. Mit Andreas Urbaniak verabredete ich daher ein gemeinsames Angehen im 6:00min/km-Tempo für die ersten Runden.

Am Wettkampftag war es einfach toll, in die Turnhalle zu kommen und viele Gelbhemden zu treffen. Gemeinsam wurden Ziele und Hoffnungen ausgetauscht. Einigen teilte ich meine Zielzeit mit und sie ermutigten mich darin, dass ich diese auch schaffen könne. Dann folgte die bereits erwähnte Fotosession vor dem Start. Zusammen mit Jörn Künstner und anderen stand ich sehr weit vorn im Starterfeld. Ich dachte, auch er würde ein ähnliches Anfangstempo wählen. Das dem nicht so war, konnte ich in der ersten Runde immer wieder hören, als sich hinter mir laufende Teilnehmer die Pace zuriefen „5:15, 5:08Jörn und Matze,…“. Jörn bestätigte mir das und ich wollte daher mein Tempo drosseln, aber dennoch bin ich die ersten elf Kilometer an seiner Seite geblieben. Bereits nach Passieren des Wendepunktes in der zweiten Runde nach sieben Kilometern kam Andreas mir entgegen und wies mich ebenfalls auf mein vermeintliches 6er-Tempo hin. Die beiden ersten 5km-Rundenzeiten waren unter 27 Minuten. Ich fühlte mich gut bis dahin, da ich sechs Minuten unter der Splitzeit war, aber der Verstand sagte mir, dass ich das bestimmt nicht durch halten würde. Außerdem hatte ich zu diesem Zeitpunkt nur zwei Neongelbe vor mir. Das kann doch nicht richtig sein, dass viele schnellere und weitaus erfahrende Vereinskameraden hinter mir waren. Die erste Verpflegung haben wir noch gemeinsam zu Beginn der 3. Runde in Angriff genommen, aber nach dem Versorgungspunkt (VP) drosselte ich mein Tempo etwas und ließ Jörn ziehen. Er wollte sein Tempo solange als möglich halten und schauen, was dabei rauskommt. Für mich kam das nicht in Frage, da es mir unmöglich erschien, so mein Ziel erreichen zu können. Ich wollte auf Andreas warten, um mich ihm anzuschließen.

Die dritte bis fünfte Runde wurde etwas gemächlicher absolviert, aber immer noch jeweils unter 29 Minuten. Das ergab eine 25km-Zwischenzeit von unter 2:20 Stunden. Meine Rechnung im Kopf war nun: Um mit 160 Minuten Restzeit die letzten 25 Kilometer zu laufen, konnte ich mir nun ein Tempo von 6:24min/km leisten. Das bedeutete Rundenzeiten von nicht mehr als 32 Minuten, die ich mir immer zutraute. Die sechste Runde lief mit 31:48 Minuten nach Plan, aber meine Oberschenkel machten sich zum ersten Mal bemerkbar. Kurz vorher wurde ich von Andreas und Itta eingeholt, aber ich konnte deren Tempo nicht lange mithalten. Mit diesem Überholvorgang und weiteren durch andere Neongelbe kam es zu einem Revival der anderen Art. Während ich letztes Jahr über jede Überholung froh war, die gleichzeitig eine Überrundung bedeutete, empfand ich es dieses Mal wenig aufbauend. Damals hatten mir die Teamkollegen aufmunternde Worte zugerufen und mich auch damit sehr gut unterstützt und motiviert. Ich bekam zwar auch wieder aufbauende Zurufe, aber die mehr als 15 Überholungen taten schon „weh“. Sie zeigten doch meine unangemessene Herangehensweise. Ich war nach 28 Kilometer einfach platt und musste Gehpausen einlegen, da ich einfach nicht mehr konnte. Diese hatte ich mir bis dahin nur nach dem VP planmäßig genehmigt.

Gegen Ende der sechsten Runde schloss Olaf Jung zu mir auf und bot mir Windschatten an. Er offenbarte mir ein paar Probleme, aber war deutlich besser drauf als ich. Bis einschließlich der achten Runde lief mal er, mal ich voraus, wobei meine Rundenzeiten 33 bzw. 34 Minuten betrugen und schon 3:59 Stunden vergangen waren. Auch das Erblicken der digitalen Zeitnahme mit den roten Zahlen, die ich mich letztes Jahr und heute bis zur sechsten Runde motiviert hatten, empfand ich als wenig aufbauend. Ich würde mein Ziel nicht erreichen. ‚Aber na und – ich würde auch dieses Jahr wieder einen 50-km-Wettkampf beenden und zwar mit einer besseren Zeit als 6:22 Stunden‘, war mein Gedanke.

Noch zehn Kilometer – in dieser Runde würde ich die Marathon-Distanz erreichen. Im Wechsel zwischen Gehen und Laufen kam ich dieser magischen Marke näher. Aus dem Laufen heraus wollte ich ins Gehen wechseln, um die Zeit zu stoppen. Ganz plötzlich zog sich meine linke Wade zusammen und ein mir bis dahin unbekannter Schmerz erfasste mich. Ich schrie wie am Spieß und rollte mich auf
Matzedie Erde. Sofort kamen andere Läufer herbei. Während Frederik (habe ihn später in der Umkleide nochmal getroffen) sofort Dehnungen gegen den Krampf vornahm, reichte mir jemand eine Salztablette. Ich hatte zu diesem Zeitpunkt schon vier genommen, aber ich schlug diese nicht aus. Ich dachte jetzt wirklich ganz an Aufgabe, aber es dauerte nicht lange bis meine Wade nachgab und ich wieder auf die Beine kam. Also ging es erfreulicherweise doch weiter für mich. Kurze Zeit später kam ein Streckenposten, mit dem ich die Marathonmarke ganz langsam nach 4:17 Stunden passierte. Durch die Hilfsbereitschaft völlig fremder Läufer hatte ich meinen zweiten Rodgau-Moment, den ich meinen bisherigen hinzufügen konnte. Lustigerweise wurde auch Olaf, der nun kurz vor mir lief, von einem Rückenstechen heimgesucht, aber das war auch nur temporär. Wir konnten nur lachen über unsere Probleme. Einen Marathon gibt es eben manchmal nicht umsonst.

Gemeinsam sind wir dann kurze Zeit später auf die letzte Runde gegangen. Nach dem VP konnte ich ihm nicht mehr folgen. Etwas ehrfürchtig näherte ich mich der Stelle, an der ich eine Runde zuvor solche Schmerzen erlebt hatte. Langsam laufend und etwas in Gedanken verloren, wurde ich von Alexander von Uleniecki eingeholt. Auf sein „Zieh durch, Matze!“ folgte mein „Alex, mit dir möchte ich die letzte Runde laufen.“ Er erwiderte: „Dann häng dich ran!“ Es waren noch drei Kilometer. Immer wieder bin ich langsamer geworden oder musste gehen. Immer wieder drehte er sich zu mir Alex und Matzeum und ermunterte mich weiterzulaufen. Es hielt zwar immer nicht lange an, aber immer wieder wiederholte sich das Prozedere. Meine Rettung war das Erblicken des Zielbereiches. Wie aus dem Nichts hatte ich noch Reserven, um zu sprinten. Genial doch, dass mir mein Körper ein Zielsprint ermöglichte. Erst überholte ich Alex, dann kam er wieder ran und die letzten zwei Hundert Meter hatten wir ein Sprintduell in 4:30min/km, das wir gleichzeitig beenden konnten. Es war für mich unbeschreiblich wieder mit einem Mauerwegläufer gemeinsam dieses Rennen beenden zu können. Nach Passieren der Ziellinie bin ich ihm einfach um Hals gefallen, einerseits überwältigt und anderseits konnte ich auch nicht mehr stehen. Das war mein dritter Rodgau-Moment.

Im Ziel traf ich Jörn und Olaf wieder, die beide sehr zufrieden mit ihren Leistungen waren. Und ich? Ich bin dankbar für alle gemachten Erfahrungen und besonders die emotionalen Momente, die mir andere beschert haben und die ich mit ihnen teilen konnte. Ich bin mit einer Zeit von 5:15:43 angekommen und sehe durchaus das Potential, mit einer anderen Herangehensweise in Berlin mein Ziel von Sub5 zu erreichen. Wieder in der Turnhalle angekommen, konnte ich mit einigen der 28 Finisher von der LG Mauerweg Berlin Lauferfahrungen vom Rodgau-Ultramarathon 2016 austauschen und hatte weitere tolle Rodgau-Momente.

Dazu gehörten auch der Sieg der LGM-Damen in der Teamwertung und weitere Podiumsplatzierungen in der Altersklasse. Allen Ausgestiegenen und Nichtstartern bleibt Berlin oder eben Rodgau 2017. Danke auch für die Unterstützung von Beate und Nicole am Streckenrand für die Anfeuerungen und Fotos. Ich habe leider mit den Ersttätern nicht so mitfiebern können, da ich zu sehr mit mehr selbst kämpfen musste. Ihr habt Großartiges geschafft und seid hoffentlich nächstes Jahr wieder mit dabei!

Fazit:

  • Es ist einfach genial, mit so vielen LG Mauerweg-Mitgliedern an Laufevents teilzunehmen.
  • Ich muss Rennen mit längeren Distanzen geduldiger gestalten, um nicht frühzeitig einzubrechen.
  • Das Schöne am Laufen ist, die nächste Möglichkeit zum Bessermachen kommt bestimmt.
  • Durch Training, Erfahrungen und zahlreiche Unterstützer kann ich noch einiges erreichen.
  • Ich werde auch 2017 in Rodgau starten.“

Bericht: Matze Weiser
Fotos: Norbert Wilhelmi, Nicole Chojnacki, Itta Olaj.