Er ist noch nicht lange LGM-Mitglied, hat aber als solches schon an einem ganz besonderen Lauf teilgenommen: Stephan May teilt seine Eindrücke aus der Wüste mit uns. Ein Reisebericht von einem Erlebnis, das viel mehr als „nur“ eine Marathonreise war…

„Einen Marathon in einem afrikanischen Flüchtlingslager in Samāra zu laufen, erschien mir am Anfang sehr spannend, aber gleichzeitig auch etwas merkwürdig. Neugierig und erfahrungshungrig auf das, was mich erwarten würde, hatte ich mich für diesen Lauf angemeldet.

Als wir nach über zehn Stunden Anreise über Madrid am 21.02.2016 morgens um 3 Uhr in Samara in der Sahara von unseren Gastfamilien empfangen wurden, waren meine Bedenken weg. Wir wurden von den Menschen sehr zuvorkommend und gastfreundlich empfangen, sie hatten trotz unserer mehrstündigen Verspätung geduldig und erwartungsvoll auf uns, ihre Gäste, gewartet.

Karte SaharaWir wurden von unseren Gastfamilien in ihre Lehmhütten gebracht, wo wir die erste für uns atemberaubend schöne sternenklare Nacht in der Sahara verbringen durften. Ich teilte mir mit zwei weiteren deutschen und einem österreichischen Teilnehmer eine Gastfamilie.

In dem Lager gibt es – das muss vorausgeschickt werden – keinen Strom- oder Wasseranschluss, außer in offiziellen öffentlichen Gebäuden, und auch das nur sehr einfach, mit unseren Standards nicht zu vergleichen. Einige Familien haben Gas (Gasflaschen) zum Kochen.

Am ersten Morgen wurden wir von unserer Familie freundlich und uns gegenüber sehr aufmerksam zu einem leichten Frühstück geweckt. Und hierbei haben wir das erste Mal die uns im Laufe der Zeit sehr lieb gewordene Teezermonie erlebt und sie gemeinsam mit der Gastfamile verbracht. Dabei wurden wir wurden sehr schnell mit den Menschen vertraut und mit ihnen verbunden.

Am ersten Vormittag begannen wir mit einen leichten Lauftraining innerhalb des Lagers bei beginnender Wärme, das Laufen in diesem für uns ungewohnten Klima fühlte sich sehr gut an. Auch die Umgebung mit den ersten Eindrücken von der Wüste, die für uns anderen Straßen und Plätze, die für uns noch fremden Gerüche und natürlich die stets aufmerksamen und uns zugewandten netten Gastgeber und Kontakte mit den „ Karamellobanden“ (Kinder- und Jugendgruppen, die um Süßigkeiten bitten) trugen dazu bei.

Sahara Marathon PK

Am Mittag fanden die erste Pressekonferenz und daran anschließend ein Empfang des Veranstalters des Saharamarathons 2016 statt.

Die Marathonläufer kamen aus Spanien, Italien, Algerien, Österreich, Deutschland und China. Wir bekamen unsere Startnummern und bereiteten uns auf den Marathon vor. Begrüßt wurden wir dabei auch vom Sportminister, anderen Ministern und Funktionären aus der Region.

Zwei Schwerpunkte waren immer wieder Thema bei den Menschen vor Ort: die persönliche Freiheit für die Menschen in der Region und die massiven vorhandenen Umweltprobleme.

Wir besuchten neben anderen Einrichtungen die Schule, den Jugendclub und das Sportzentrum von Samāra. Für die Menschen und besonders für unsere Gastgeber hatten wir nützliche Alltagsgegenstände als Geschenke mitgebracht, diese Spenden wurden verteilt.

Stephan MayMorgens am Marathontag bei noch gut 8° C gab es ein Frühstück mit allen Läufern und anschließend die gemeinsame Anreise zum Startplatz mit unseren „ Bussen“!

Unsere Marathonstecke ging quer durch die Sahara auf steinigem Untergrund und auch auf sandigen Dünen. Diese Streckenverhältnisse haben es unseren Füßen nicht leicht gemacht. An diese Bodenbeschaffenheit mussten wir uns schnell gewöhnen. Stets wurden wir in den Dörfern und an der Strecke von den „Karamellobanden“ und den Bewohnern mit Gesängen und viel Spaß empfangen, begleitet und angefeuert. Dankenswerterweise gab es einige Versorgungsstellen mehr als es sonst bei einem Marathon üblich ist.

Im Ziel gab es dann die ersten „ Duschen“ und das waren dann auch die letzten für die nächsten Tage.

Daneben gab es von uns in dem Flüchtlingslager auch einen gemeinsamen Arbeitseinsatz, mit dem wir einige öffentliche Gebäude etwas in Ordnung brachten und mit frischer Farbe versahen.

Sahara Marathon MauerFür diese Wandgestaltung gäbe es in Berlin sicher Ärger, hier in Samāra war es offizielle Kunst!!! Links neben unserem „Werk“ haben die arabischen Kinder den in lateinischen Buchstaben verfassten Text in die arabische Sprache mit ihren Schriftzeichen übersetzt.

In den Tagen haben wir uns mit den Gastfamilien auch über unsere unterschiedlichen Kulturen und Lebensweisen ausgetauscht. Auch die ersten Versuche Arabisch zu lernen, waren sehr lustig, aber auch schwer, trotzdem aber “verdammt gut“.

Sahara Lesen

Siegerehrung und Party nach dem Marathon im Amphitheater in Samāra , mehr braucht man nicht schreiben… Nur dass wir inzwischen 34° C hatten!!!

Die notfallmedizinische Versorgung in Samāra war anders als in unseren Herkunftsländern strukturiert, trotzdem aber sehr ansprechend und für die hiesigen Verhältnisse gut organisiert..

Ein Ausflug in die Sanddünen war für die Läufer ein bleibendes gemeinsames Erlebnis und machte allen viel Freude.

Jeder, der in Algerien in der Sahara einen Marathon läuft, muss alles, was er an Vorstellungen über unsere Lebenskultur und -standards hat, ablegen. Dennoch und vielleicht auch gerade deshalb macht Spaß, sich auf dieses Abenteuer, auf das Neue und Unbekannte einzulassen.

Hier wurde es uns ungeschminkt, konkret und hautnah gezeigt wie es Menschen geht, die keine verbürgten und gesicherten Rechte haben, keine wirkliche dauerhafte Freiheit und keinen sicheren Frieden kennen. Das hat mich in den wenigen Tagen massiv beeindruckt und wirkt mit Sicherheit bei mir lange nach. Wir alle haben uns sehr schnell an die Menschen gewöhnt und sind mit ihnen vertraut geworden, waren beeindruckt von der Herzlichkeit und Gastfreundschaft trotz aller persönlichen und politischen Widrigkeiten.

Gerne und dankbar denke ich an diese Begegnungen und Erfahrungen zurück und mein Herz ist bei den Menschen hier in diesem Flüchtlingslager. Für mich steht fest, dass ich – wenn es eben geht – beim Saharamarathon 2017 wieder dabei sein werde.

Vorgenommen habe ich mir, dass ich bei den nächsten Läufen Spenden sammeln möchte für die Familien dort, um sie zu beschenken. Vor Ort habe ich gesehen, was tatsächlich und dringend gebraucht wird und was im Alltag fehlt. Als Beispiele nenne ich praktische und strapazierfähige Kinderbekleidung, besonders Kinder- und Sportschuhe, Notfallausrüstungs-gegenstände für den örtlichen Rettungsdienst und ganz wichtig: Kinderspielzeug ist sehr gefragt (z.B. Fußbälle und dergleichen).

Also: Sportliche Grüße!“

Text und Fotos: Stephan May