Ganze 37 Meter waren es am Ende, die LGM-Läufer Andreas Urbaniak vom Sieg bei den 24 Stunden von Bernau trennten. War er enttäuscht? Nein, er war glücklich über den „Lauf seines Lebens“. Warum er ihn so nennt und wie es in Bernau für ihn lief, könnt ihr in seinem Bericht nachlesen:

„Mir wurde ja schon viel gratuliert, sowohl persönlich als auch virtuell, aber einen Bericht wollte ich doch noch nachschieben, zumal der 24h Lauf in Bernau definitiv nicht nur mein Saisonhöhepunkt war, sondern der „Lauf meines Lebens“ bisher! Meine Vorbereitung haben die meisten ja mitbekommen.

Sei dein eigener Trainer!
In diesem Jahr habe ich mich komplett auf mich verlassen und keine externe Trainingsunterstützung in Anspruch genommen. Ich hatte es in Erwägung gezogen aber dann verworfen, weil ich dachte: „Komm, Dich kennt niemand so gut wie Du Dich selbst, Du musst dieses mal Dein eigener Trainer sein!“

Ich habe alle Ultradistanzen aufsteigend von Januar bis September aufgebaut: Die 50km in Rodgau, den 6h-DM-Lauf in Münster, den Rennsteig-SM, den Brüder-Grimm-Etappenlauf, danach die 100km-DM, den Mauerwegnachtlauf, die 100 Meilen und dann den 24h-Bernau-Lauf! Es war die perfekte Abfolge mit den perfekten Abständen. Es war mir ein großes Anliegen alle Ultradistanzen in einem Jahr gesund zu absolvieren und dass mir das gelungen ist, sehe ich jetzt schon als größten Meilenstein meines Läuferlebens!

Aber wie lief denn nun der 24h Lauf in Bernau für mich ab? Die wichtigste Erfahrung vorab: Es ist kein verlässlicher Maßstab, was man vorher bei den 100 Meilen gelaufen ist! Ein 24h-Lauf ist etwas komplett anderes und vor allem auf einer kurzen, sehr hügeligen Runde wie in Bernau! Wenn es nach meiner 100-Meilen-Zeit gegangen wäre, dann hätte ich locker 210 bis 220km laufen können, aber bei den 100 Meilen war es deutlich leichter –  zumal ich da keine Nachtphase hatte. Die hügelige Runde in Bernau hatte mich schon früh gezwungen, etwas Tempo rauszunehmen. Die Runde hat zwar „nur“ sieben Höhenmeter, aber wenn man die dann schon 50-mal hinter sich hatte, dann hat man das gemerkt. Am Ende der 24h hat man schon fast so gut wie einen Bergultra in den Beinen. Ich hab ja bekanntlich ein Händchen dafür, mir bei meinen Debuts gleich die Knallerstrecken rauszusuchen. 😀

Die ersten sechs Stunden wie im Flug
Die ersten 6 Stunden vergingen ganz gut und wie im Flug, ich wurde da erst richtig warm und konnte mich auch gut disziplinieren, die Hügelchen hoch zu marschieren. Trotzdem war ich sehr flott unterwegs, obwohl ich mich bremste, ich war von Beginn an in Führung und gab diese Führung 13 Stunden lang auch nicht ab. Nach zehn Stunden aber spürte ich einen frischen „Wiener Wind“ hinter mir näher kommen….ganz unauffällig aber bestimmt näherte sich mir der Herbert Hartl wie ein Uhrwerk – in einer Phase, wo es zunehmend schwerer für mich wurde. Als wenn er darauf gewartet hätte: „Der Jungspund macht noch schlapp!“.  So kam es dann auch: Mich hatte die Müdigkeit übermannt. Einige Krisen konnte ich schon abwenden: Schwere Beine, Lustlosigkeit…das kannte ich alles, aber trotz eines Nachtlaufes vor den 100 Meilen hat mich die Nacht umgehauen.

Ab 4 Uhr früh ging nix mehr, ich wankte leicht und um 5 Uhr musste ich die Entscheidung treffen, eine Pause einzulegen, was ich noch nie bei einem Ultra gemacht hatte. Ich war der Aufgabe nah. Mein Tempo wurde langsamer und ich hatte um 5 Uhr ungefähr 125km auf der Tafel. Da hatte mich der Herbert schon überholt und der drehte in der Nacht richtig auf, das war wohl seine Zeit!

Ich war deprimiert, aber mein Betreuer Norbert meinte ganz klar und richtig: „Da musste durch, da müssen alle durch! So sind 24h, kein Kindergeburtstag!“. Ich wollte schon fast meine Startnummer abmachen, als mich Matze ganz kühl, aber eindringlich anschaute und meinte: „Warte doch einfach, bis es hell ist, und schau, was dann passiert!“. Genau die richtige Message, ich ließ die Finger von der Startnummer, gönnte mir die Döspause und als es hell war, sagte ich zu mir: „Zieh Dir trockene Sachen an, steh auf!“ Danach klopfte ich auf meine Beine und auf meine Brust und ging einfach wieder auf die Strecke… Was ich dann erlebte, war nicht zu beschreiben: Ich lief wieder als hätte ich erst angefangen. Als wäre nix gewesen! Ich lege mich fest: Ab diesem Zeitpunkt war ich in einem Runners High, wenn es so etwas gibt, dann exakt in diesem Moment!

Vorsprung wieder gutgemacht
Ich lief Stunden lang komplett aufgeladen durch und konnte viele Kilometer gutmachen. Danach kam kurz eine letzte Krise: Meine Knie wollten nicht mehr und ich musste ein paar Runden gehen, aber auch das habe ich überstanden. Plötzlich ging auch das vorbei und 7 Stunden vor dem Ende stand ich kurzzeitig auf Platz 4. Ab jetzt lief es aber wie geschmiert und ich wurde gefühlt immer schneller. Mein Laufstil war ökonomisch, ich konnte immer lachen und holte den Vorsprung von Herbert von 18km auf den ersten Platz fast auf! In den letzten 7h lief ich 70km, dass kann man schon Endbeschleunigung nennen und ich hatte nicht damit gerechnet! Ich wurde auf der Strecke auch toll unterstützt von allen MauerwegläuferInnen, den Pankrunners, den Shisha Runners und auch von denen, die mich nur laufen sahen und mich einfach anfeuerten. Auch der Moderator Jörg Stutzke hatte immer motivierende Worte parat und ich freute mich immer auf jede weitere Runde, wenn ich auf die km-Tafel schauen konnte. 🙂

Gegen Ende sah es auch schon danach aus, dass ich mir den 1. Platz holen könnte, denn so stark der Wiener in der Nacht war, umso stärker war ich jetzt am Morgen. Anders als bei 90% der 24h-Läufen entschied sich dieser Lauf fast in den letzten 3h (sonst soll immer die Nachtphase entscheidend sein laut den erfahrenen 24h-LäuferInnen). Ich holte den Herbert ein und konnte in den letzten 30 Minuten noch mal beschleunigen und war dann auf der letzten Runde mit ihm rundengleich. Ich sprintete noch mal los unter dem Anfeuerungen von Sandy, Ludwig, Diana, Antje, Mirko (die alle nochmal gekommen sind) und auch allen anderen vor Ort – aber ich sah den Herbert nicht bei der kurvigen Runde.

Trotz meines beherzten Sprints am letzten Hügel war dann der Countdown meine Bremse. Am Ende standen knapp 195km auf der Tafel und nur 37m hinter dem großartigen Kämpfer Herbert Hartl. Keine Enttäuschung, nicht eine Sekunde…einfach nur Glück, Stolz, Zufriedenheit und vor allem: Dankbarkeit! Dankbarkeit meinem Körper gegenüber, Dankbarkeit gegenüber meinem Verein LG Mauerweg für die tolle Betreuung (Norbert Möhr und auch Jörn Seelig), Dankbarkeit gegenüber den Pankrunners und auch den Shisha Runners für so viel Motivation! Aber auch ein kleines Dankeschön an Benjamin Brade und Silke Stutzke, die beide auch immer die richtigen Worte auf der Strecke für mich hatten. 🙂

Ich komme wieder…
Was nehme ich mit? Einen schönen Pokal, eine tolle Medaille, ein tolles 24h Debut und die Gewissheit: Ein paar km mehr kann ich noch. Ich muss mich besser auf die Nacht vorbereiten und dann fallen in Bernau auch die 200km+x! Hab ich grad Bernau gesagt? Äh ja…obwohl ich ja nie wieder in Bernau 24h laufen wollte, habe ich das soeben revidiert: Ich werde 2018 wieder laufen…24h in Bernau. Ohne Druck aber mit einem Ziel: Gesund finishen und im optimalen Falle die 200 schaffen.

Danke an alle Beteiligten für diese perfekte Veranstaltung!“

Text und Fotos: Andreas Urbaniak

 

Kommentar hinterlassen