So traurig es ist, das Känguru ist tot. Zehn Jahre ist es alt geworden, und Tom und ich haben es – wie einige weitere Läufer der LG Mauerweg – sehr gerne besucht. Entsprechend trauern wir ein wenig, aber: Jetzt gibt es ja PaUL. Paul? Wer ist eigentlich Paul? PaUL ist, auch wenn man diese Antwort auf die Frage der 2000er-Jahre Werbung für ein Diätprodukt nicht erwartet hätte, der Nachfolger des Kängurus. Sein kleiner Bruder quasi, denn er hat die gleichen Eltern.

Alle, die bis hierhin verwirrt sind, waren nie beim Ludwig-Leichhardt-Trail. Ein ca. 55km langer Lauf, 2014 erstmalig organisiert von Almuth und Aldo Bergmann. Für diesen folgte eine 50 bis 60 Köpfe umfassende Läuferschar, die bereits Mitte Februar für einen Winter-Ultra bereit war, dem Ludwig-Leichhardt-Trail. Ein markierter Weg von Trebatsch nach Cottbus, benannt nach dem gleichnamigen Forscher, der im 19. Jahrhundert in Australien verschwand. Alle Details zu einer sehr feuchten Erfahrung mit dieser wunderbaren Veranstaltung könnt ihr hier nachlesen.

Am Start
Die LG Mauerweg am Start – am Schloss Bad Muskau (von links: Sonja, Tom, Jörn Kristin, Sabine, Birgit)

Von Park zu Park – über Landesgrenzen hinweg
Da Aldo beim letzten Ludwig-Leichhardt-Trail bereits die Nachfolgeveranstaltung angekündigt hatte, waren wir sehr gespannt und hatten uns natürlich auch für den PaUL angemeldet. Klar war bereits, dass Vieles aus dem bewährten Konzept übernommen werden würde: die Klassenfahrt-artige Busfahrt vom Ziel zum Startort der Punkt-zu-Punkt-Strecke, das gemeinsame Essen nach dem Lauf und die charmante Art der Siegerehrung, die immer alle Finisher ehrt. Und die dann stattfindet, wenn auch der und die letzte im Ziel ist – die im Übrigen genauso einen Preis bekommen wie die ersten LäuferInnen.

Neu war neben dem Namen PaUL (für Park-Ultra-Lauf) die Strecke, die diesmal vom Schloss in Bad Muskau (Sachsen, in Sichtweite der polnischen Grenze) zum Schloss in Branitz (Brandenburg) führen sollte, durch viele Parkanlagen, über Felder und entlang der Spree – 80 Prozent der Strecke führten laut Ausschreibung über „Pfade, Waldwege und naturbelassenes Gelände, einzelne Abschnitte sind weglos“. PaUL zeigte sich somit von Beginn an trailiger als sein Vorgänger – der Untergrund, den wir am Lauftag dann vorfanden, kam jedoch für alle Beteiligten unerwartet.

Immer ein Highlight, schon vor dem Start: die Klassenfahrt-artige Busfahrt.

„Winterwunderland“ – besser kann man wohl nicht beschreiben, wie es im Park in Bad Muskau am Start und auch über weite Teile Strecke aussah. Eine Schneelandschaft, wie man sie sich schöner zumindest in den Brandenburger Breitengraden kaum vorstellen kann. Tatsächlich waren die vielen märchenhaften Schneebilder die hauptsächliche Intention, diesen Beitrag zu schreiben. Wer noch mehr sehen will, inklusive tanzender Schneeflocken, dem seien die Bewegtbilder von Jana Bieler empfohlen, die auf ihrem immer sehenswerten YouTube-Kanal auch von diesem Laufevent ein Video hochgeladen hat.

Laufen durchs Winterwunderland – die von Aldo als „sehr schwer“ beschriebene Strecke erwies sich vor allem als sehr schön – und unglaublich schneereich.

Mit Spikes und Yaktrax gegen vereisten Untergrund
„Teile sind vereist, seid vorsichtig, es gibt trügerische Stellen“, warnte Aldo im Briefing. Tatsächlich gab es die, richtige Eisglätte erwischte uns aber nicht auf den Trails, sondern vor allem auf der ein oder anderen dörflichen Asphaltpassage, wo festgefahrene, angetaute, wieder angefrorene und überschneite Abschnitte für unerwünschten Bodenkontakt sorgten.

Stürmischer Start im Schneeflockengestöber: Die Winterlandschaft stellte die Läufer vor Herausforderungen.

Bei mir, bei einigen anderen Läufern, aber bei Tom nicht. Denn der hatte nach Jahren mal wieder seine einst für den Taunusultra besorgten Laufschuhe mit Spikes hervorgekramt. Ich hatte zwar Yaktrax dabei, die ich nach dem Glätteerlebnis auch überstreifte, allerdings sammelten diese in den folgenden Waldabschnitten soviel Laub ein, dass sich ein plateauschuhartiges Gefühl einstellte, das alles andere als laufgeeignet war. Also machte ich sie wieder ab. Damit hatte ich nicht ganz so sicheren Halt, wie mein ohnehin trail-affinerer Mann, kam aber halbwegs gut und vor allem fallfrei über den Rest der Strecke.

Schnee, soweit das Auge reichte.

Highlights auf der Strecke war neben den heißherbeigesehnten, insgesamt drei VPs immer wieder die Natur – sei es die schon schneefrei optisch beeindruckende Rakotzbrücke, die es nicht nur in zahlreiche Instagram-Posts, sondern in diesem Jahr sogar auf eine Sonderbriefmarke der Post schaffte, sei es die mittags hervorkommende Sonne, die die Schneemassen auch noch zum Glitzern brachte oder die sich auf dem letzten Laufdrittel immer wieder am Lauftrack entlangschlängelnde Spree (vielleicht war es auch umgekehrt).

Unnötige Hetzmanöver
Auf den letzten 5 Kilometern erlebten Tom und ich dann zum Dialog „Komm, den Typ da vorne kriegen wir!“ – „Jetzt hetz mich nicht!“ – „Früher hat dir das immer Spaß gemacht!“ ein Déjà-Vu, nur dass Tom sich ganz anders erinnert als ich: Spaß gemacht – ja, von wegen! Ich zitiere kurz aus „Wir Waren Helden – die LGM beim Müritzlauf“ von 2016:

„Ich muss spontan an einen Artikel von Achim Achilles über einen seiner langen Läufe denken, in dem es heißt: „200 Meter vor mir sehe ich eine Oma mit Rollator. Ich komme ihr nicht näher.“ So fühle ich mich. Ich bin also gar nicht erfreut, als Tom begeistert auf einen Einzelläufer ca. 200 Meter vor uns zeigt. „Komm, den kriegen wir, das macht Spaß!!“ Spaß? Ich will nur noch ankommen, ob wir uns jetzt den Läufer „kaufen“ oder nicht. Doch Tom kennt keine Gnade.“

Kennt beim Überholen keine Gnade: Tom, rasant auf Spikes.

Kannte Tom auch jetzt nicht. Er rannte immer wieder an unseren Vorläufer ran, ich immer wieder hinter ihm her – aber nicht schnell genug, unser „Konkurrent“ holte auch noch mal alles aus sich raus und erreichte einige hundert Meter vor uns die Ziellinie. Tom erkannte ihn als Thomas Paschy, wir gratulierten uns und dieser erklärte fröhlich: „Ich hab´ gemerkt, dass ihr versucht habt mich einzuholen. Danke, dass ihr mich habt ziehen lassen – ihr wart aber trotzdem schneller“, sagte er und grinste. Stellte sich raus: Er war morgens eine Viertelstunde vor dem Hauptfeld gestartet. Haha. Immer diese unnötige Hetzerei. Ich wusste gar nicht, ob ich lachen oder weinen sollte.

Entschied mich dann aber, mich einfach über die geglückte Zielankunft zu freuen (am Schloss ankommen gilt nicht, die Schlosstreppe muss erklommen werden), und über die mega-schöne Medaille. Schon die Känguru-Medaille war immer ein optisches Highlight in unserer Sammlung, die vom PaUL aber könnte man geradezu als Schmuckstück tragen. In Zeiten, wo bei vielen Laufveranstaltungen an jedem Ende gespart wird, sticht das besonders heraus.

Stolze Preisträgerinnen: Sabine und Birgit

Besonders war auch wieder Aldos Art der Siegerehrung, bei der er jede Läuferin und jeden Läufer nach vorne ruft und bei vielen, die er mittlerweile Jahre kennt, ein paar persönliche Worte findet. Außerdem war ihm anzusehen, wie erleichtert er war, dass alle unverletzt durchgekommen sind. Lediglich eine Läuferin war bei km 20 ausgestiegen, und zwei Läuferinnen sowie drei Läufer hatten sich aufgrund der fortgeschrittenen Zeit entschieden, bei VP 3 an km49 aufzuhören.

Dies aber galt nicht als DNF. Sondern bereits am Morgen hatte Aldo verkündet, dass sie aufgrund der Witterungsbedingungen neben dem 55km langen Lauf noch eine 49-km-Unterdistanz anbieten. Den passenden Namen bekam die „Kurzversion“ auch gleich verpasst: PaULchen. Die Idee fand riesigen Anklang. Machbar war diese Ausweitung übrigens, weil die Helfer vom VP3 (die schon lange Jahre dabei sind, wenngleich es beim Leichhardt immer VP 2 war) für die Aussteiger einen Shuttle zum Ziel organisierten. Auch das – also das großartige Helferteam – ist eine Besonderheit, die die Läufe des Bergmann-Duos auszeichnet.

Fazit:

  • Der Ludwig-Leichhardt war immer eine tolle Veranstaltung. Aber alles, was dessen Besonderheiten ausgemacht hat, haben Almuth und Aldo kongenial in den PaUL integriert. Bis auf die Wegmarkierung. Das Känguru gab schon deutlich mehr her als grünes Flatterband. Aber dafür ist die neue Strecke deutlich schöner.
  • Vor allem dieses Jahr im Schnee. Man muss es sagen: Der Schnee war der Knaller. Aldo hatte zwar Angst um die Läufer. Aber die hatten sichtlich mehr Spaß als die engagierten Helfer, die an den Vortagen die Strecke markierten. Auf dem Fahrrad.
  • Wenn man als Zuschauer mit einem sehr niedlichen jungen Hund an die Strecke kommt, wird man als Person weniger wahrgenommen. Nachträgliche Grüße an den langjährigen 100-Meilen-Rennarzt Carsten Bölke.
  • Wen Zeiten interessieren – oder weitergehende Informationen zum PaUL – kann diese hier nachlesen.
  • Wir sind nächstes Jahr gerne wieder dabei. Schnee dürfte dabei nicht zu erwarten sein, in den zehn Jahren Ludwig-Leichhardt-Trail hat es NIE geschneit. Aber auch eine Überschrift wie „Mit Paul im Schlamm“ oder „Das dreckige Paulchen“ dürfte Leseanreize für kommende Erlebnisberichte geben ;-).
Die Medaille: wirklich ein kleines Schmuckstück, sticht auch in unserer dreistelligen Sammlung hervor.


Text: Sonja Schmitt

Fotos: Kristin Drechsler, Sabine Erstling, Sonja Schmitt, Tom Schmitt, Team PaUL (Park-Ultra-Lauf)

 

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