Erst dachte er, dass ihn ein Etappenlauf gar nichts angeht. Dann fand er das Thema immer spannender und meldete sich für das LGM-Laufevent Berlin-Brocken an. Von seinen Erlebnissen auf und abseits der Laufstrecke erzählt Kay Thormann in seinem Laufbericht:

„Etappenlauf der LG Mauerweg vom Jugendgästehaus Berlin zum Brocken Motto: „Was geht´s uns guuuuut …!“ (interner Schlachtruf: bei Motivationsproblemen, bei Freude, bei Schmerzen, bei Hunger – demnach gefühlt ca. 200 Mal pro Tag). Zu den Eckdaten: 22 Läufer, 5 Tage, 5 Etappen, 290 km und über 3000 Höhenmeter.

Querfeldein: Gastautor Kay Thormann (vorne) beim Etappenlauf Berlin-Brocken. Foto: Jörg Levermann.
Querfeldein: Gastautor Kay Thormann (vorne) beim Etappenlauf Berlin-Brocken. Foto: Jörg Levermann.

Von „Betrifft mich doch gar nicht!“ bis „Warum eigentlich nicht?“
Als ich das erste Mal von der Idee eines Etappenlaufes von Berlin zum Brocken hörte, was im letzten Jahr bei einem Mauerweglauf der Fall war, da habe ich noch gedacht, dass mich das doch gar nicht betrifft. Dann wurde aber doch immer mehr darüber gesprochen und die Ausschreibung erschien. Irgendwann dachte ich dann, warum eigentlich nicht. Ein paar Leute, die ich kannte und mag, deuteten schon an, dass sie mitmachen werden. Also meldete ich mich an und ab da kamen dann natürlich die Zweifel. Ich war im letzten Jahr nun nicht gerade faul, was Marathons/Ultras anging, aber ich hatte auch einige „DNS“. Dieses Jahr lief es bisher super. Die Längen und Zeiten stimmten, der ein oder andere Doppeldecker war auch dabei … aber 5 Tage hintereinander einen Ultra laufen, das war für mich unvorstellbar. Bei den Lauftreffs und den XXL-Veranstaltungen der LG Mauerweg traf ich dann aber immer wieder auf Menschen, die mir doch nach und nach die gröbsten Ängste nahmen.

Schon das Packen war ja eine Herausforderung. Ich packte alles ein, was man egal bei welchem Wetter gebrauchte könnte. Zwischen -50 und +50 Grad hätte wahrscheinlich alles passieren können. Auch rüstete ich nochmal kräftig auf. Erstmal musste eine richtige Laufuhr her, die auch mehr als 6 Stunden hält. Seit längerer Zeit habe ich mich mit vielen unterschiedlichen Menschen unterhalten und dann kurz vorm Lauf zugeschlagen. Sicherheitshalber kaufte ich mir auch noch ein Handgerät für die Navigation. Jetzt kamen die Tücken der Technik. Auf die Uhr bekam ich die Tracks nicht rauf und das Handgerät konnte ich nicht bedienen. Als Reinfall auf der ganzen Linie. Das fing schon mal gut an.

Einfach mal abhängen: Sportklamotten und Läufer nach einer fordernden Tagesetappe.
Einfach mal abhängen: Sportklamotten und Läufer nach einer fordernden Tagesetappe.

Als letztes musste noch ein neuer oder besser ein richtiger Laufrucksack her. Das alles und ca. 100 Energiegels, Feuchttücher, mehrere Laufschuhe und und und in den Koffer. Verdammt … ein Koffer reicht nicht. Also Sporttasche auch noch vollstopfen. Oh man … reicht immer noch nicht. Also noch Rucksack. Okay damit war dann alles verstaut. Nun hatte ich ein schlechtes Gewissen und hab erstmal Harald Reiff angetextet und gefragt, ob das überhaupt alles mitgenommen werden darf. Zum Glück bekam ich eine Freigabe. Montagabend gab es dann die Wettkampfbesprechung. Ein paar Teilnehmer kannte ich ja schon aus anderen Läufen und die anderen machten sofort einen sehr offenen Eindruck und sprühten vor Vorfreude. Es gab die Startnummer und ein paar Instruktionen zum Event. Noch ein „Alkoholfreies“ mit Andreas Baur und dann aber schnell ins Bett.

03.05.2016 – 1. Etappe vom Jugendgästehaus Berlin zur Jugendherberge Blankensee
Start war 9 Uhr. Geplant waren 57,9 km mit ungefähr 560 HM. Das Wetter in Berlin war echt traumhaft. Wir hatten Sonne, aber die Temperaturen waren angenehm kühl. Ab 8 Uhr wurden die Transporter beladen und erste Fachgespräche geführt. Obwohl es sich bei fast allen um „alte Hasen“ handelte, hatte ich doch das Gefühl, dass die Spannung durchaus gestiegen ist.

Gefragt als warmherziger Mitläufer: Olaf Ilk (hier mit der eigens kreierten Brockenlauf-Mütze). Bild: Jörg Levermann
Gefragt als warmherziger Mitläufer: Olaf Ilk (hier mit der eigens kreierten Brockenlauf-Mütze). Bild: Jörg Levermann

Obligatorisch war natürlich die tägliche Wettkampfbesprechung mit Harald Reiff, der nochmal die wichtigsten Punkte zur Strecke und den Verpflegungspunkten erklärte. Und wir hatten sogar noch ein Geburtstagskind: Falko Tabbert (ich glaube er war auch das Küken im Feld) wurde 30 Jahre … Happy Birthday. Ab Tag 1 wurde er durch seinen Laufzwilling Karsten dann auch liebevoll „Junior“ genannt. Nun aber los! Ich hatte eine ganz einfache Taktik. Aufgrund fehlender Navigation und vor allem auf Grund der menschlichen Wärme 😉 wollte ich die 1. Etappe mit Olaf Ilk laufen. Aus vielen anderen Läufen wusste ich, dass er wirklich zielsicher die Strecke trifft, wirklich Ruhe ausstrahlt, aufs Tempo achtet und immer eine gute Geschichte hat. Also passt!

Nach vielem Hin und Her in Berlin ging es dann doch irgendwann raus aus der Stadt in Richtung Grunewald. Vorher noch der 1. VP durch Gritta und Steffen Sens. Die beiden kannte ich bisher noch gar nicht. An diesem und auch in den nächsten Tagen war es aber ein Vergnügen, an ihren Stand zu kommen. Später betreuten sie noch einen weiteren Stand, wo sie uns mit frischen Erdbeeren überraschten. Danach liefen sich die Kilometer so hin. Tolle Verpflegungspunkte auch bei Jörg Levermann und später bei Itta Olaj und Alexander von Uleniecki.

Mittlerweile hatte sich eine Gruppe gefunden. Wir waren mittlerweile 6 Läufer. So trudelte ich dann also mit Olaf Ilk, Claudia Bree, Rainer Wachsmann, Martina und Gabriele in Richtung Blankensee. Leider stürzte Martina zwei Mal und brauchte dann etwas Zeit für sich. Die hatte sich wohl echt gelohnt, wie sich in den nächsten Tagen herausstellte. Martina und Gabi nahmen sich mal 5 Minuten und deshalb liefen wir dann zu viert weiter und genossen die vielen Brücken und auch die Berge kurz vor Schluss der Etappe. Letztendlich kamen an diesem Tag alle recht entspannt in der Jugendherberge Blankensee an.

Immer gern genommen: ein Zielbier. Bild: Sonja Schmitt
Immer gern genommen: ein Zielbier. Bild: Sonja Schmitt

Nach dem Zielbier mussten nun noch Betten bezogen werden und die Verlosung der Schlafplätze begann, was sich im Laufe der Zeit als durchaus manchmal etwas schwierig darstellte. Ich war mit Olaf und John Kupferschmidt in einem Zimmer. Die Frage, wer oben liegt, beantwortete sich dann von allein. Danach nur noch Abendbrot, Tageswertung und schnell ins Bett.

04.05.2016 – 2. Etappe von der Jugendherberge Blankensee zur Jugendherberge Burg Rabenstein
Auf in den zweiten Tag. 58,6 km und rund 460 Höhenmeter. Das Wetter war etwas kühler und auch den ganzen Tag durchweg bewölkt (bis auf das Abendbrot). Das Prozedere war eigentlich jeden Morgen dasselbe. Wach werden, Rucksack packen, Vaseline… natürlich Wettkampfbesprechung und los geht es! Bei mir stand nun ein Gruppenwechsel an; man will ja schließlich alle kennenlernen. Ich schloss mich der Gruppe mit Andreas Baur, Andreas Jackisch und Harald Balzk an. Sie waren am Tag vorher gar nicht so viel schneller als wir gelaufen und Andreas Baur kannte ich schon von anderen Läufen.

Burg Rabenstein
Mittelalterliches Flair: Burg Rabenstein. Bild: Jörg Levermann

Das Anlaufen fiel mir diesmal unglaublich schwer. Außerdem hatte ich das Gefühl, dass ich viel zu viel gegessen hatte. Ich hatte über 20 km gebraucht, damit es sich wieder nach Laufen anfühlte. Im Gegensatz zum Vortrag ging die Strecke diesmal nicht so kreuz und quer, sondern es gab durchaus lange Geraden, die zum Laufen einluden. Auch in dieser Gruppe fühlte ich mich echt wohl. Hier hatten sich echt drei Leute gefunden. Man könnte diese Etappe umschreiben mit „zwischen betula und lamentosa cochlea“. Bisher hatte ich mir das sogenannte Läuferlatein immer etwas anders vorstellt. So gestaltete sich die Etappe als wirklich lehrreich, spannend und sehr lustig. Andreas und Harald kannte ich ja vorher noch nicht. Das sind zwei echte Typen und so ging der Tag wirklich schnell rum. Quizfrage: Was ist der Kalman-Filter? Ab nun: „Was geht`s uns gut!!!“

Der Aufstieg zur Burg Rabenstein war dann noch etwas stufenreich, aber echt schön. Diesmal gab es ein 8-Bett-Zimmer. Die Läufer passten rein, alle Koffer nicht. Ich deponierte meine Sachen auf dem Flur, weil ich wirklich nicht wusste wohin damit. Aber das ging alles recht gut und entspannt. Zum Abendbrot kam dann sogar die Sonne raus und das Abendessen war echt gut. Es wurde wirklich gegrillt und das Buffet war wirklich richtig gut. Ich habe bestimmt drei Mal so viel gegessen, wie ich am Tage verbrannt habe. Auch das Frühstück war echt gut. Ab nun wurde in zwei Wellen gestartet je nach Laufzeit. Diejenigen, die die Strecke genießen wollten, gingen einfach eine Stunde vorher auf die Piste.

05.05.2016 – 3. Etappe von der Jugendherberge Rabenstein zur Jugendherberge Dessau

Drei, zwei, eins - los! Start bei Burg Rabenstein an Tag 3
Drei, zwei, eins – los! Start bei Burg Rabenstein an Tag 3. Bild: Jörg Levermann

Nun gab es den sogenannten Blitzultra: 45,5 km und nur 260 HM. Abwärts ging es von der Burg Rabenstein in Richtung Dessau. Ich war etwas gespannt, was uns für Leutchen unterwegs begegnen, da ja nun Himmelfahrt war. Das Wetter wurde richtig sonnig und damit auch spürbar wärmer. Wir zottelten wieder zu viert los und kamen auch wirklich zügig voran. Da die Sonne immer von links kam, holte ich mir – wie viele andere auch – nur links einen schönen Sonnenbrand. Unterwegs musste Renndirektor Harald sogar noch mal die Strecke markieren, damit wir den Weg auch finden. Das lief aber echt gut. Auch die Anzahl der Betrunkenen unterwegs hielt sich wirklich in Grenzen. Unterwegs lud dann Andreas Baur noch zum Eisessen ein. Das war eine tolle Abwechslung. Leider fehlt der Fotobeweis. Aber lecker war es auf jeden Fall. Im Ziel erfuhren wir dann, dass das noch einige andere getan haben und sogar der sehr schnelle, um den Sieg mitkämpfende Karl Rohwedder. Echt Wahnsinn, was er nicht nur hier für Zeiten hinlegt. Am Ende der Etappe begleitete uns auch noch Rainer, so dass wir heute zu fünft ins Ziel kamen. Schön war, dass es diesmal nur 4-Bett-Zimmer waren und es auch mal etwas Platz für die Taschen gab.

06.05.2016 – 4. Etappe vom Bahnhof Köthen bis zur Jugendherberge Falkenstein
An diesem Tag begann es mal mit einer Bahnfahrt. Zu Fuß mussten wir erstmal 2,5 km zum Bahnhof Dessau und dann mit der Regionalbahn nach Köthen. Von dort aus schickte uns der Renndirektor dann wieder auf die Strecke von 63,2 km und 590 Höhenmetern. Noch in der Stadt trafen wir auf einige Einwohner, wo es doch tatsächlich die Frage gab, ob dies der Köthener City Lauf ist. Naja … in diesem Sinne: Wann kommt das denn nun, das Finisher-Shirt vom Citylauf? Das muss wohl noch einmal mit der Rennleitung besprochen werden.

07.05.2016 – 5. Etappe von der Jugendherberge Falkenstein zum Brocken
Aufgrund der Hitze und des anstrengenden Aufstiegs zum Brocken wurde die letzte Etappe schon um 5:30 bzw. 7:00 gestartet und ging über 62,2 km und knapp 1700 Höhenmeter. Für mich eindeutig zu früh. Das Frühstück musste sich am Vorabend jeder selber machen und bekam es dann als Picknickbeutel am Morgen. Somit war das Frühstück ziemlich schnell erledigt und Nina Blisse schickte uns auf die Reise. Diese Etappe kannte ich ja schon, da ich sie mit Nina, Oliver von Schöneberg und Elias schon vor einer Woche als Erkundung gelaufen bin. Ich hatte sie gar nicht mehr als so schwierig in Erinnerung, da wir schon ziemlich viel gelacht und uns auch gut Zeit gelassen haben. Aber diese Etappe hatte es doch in sich.

Glücklich auf 1142 Höhenmetern: Autor Kay Thormann im Ziel auf dem Brocken.
Glücklich auf 1142 Höhenmetern: Autor Kay Thormann im Ziel auf dem Brocken.

Bereits direkt am Start ging es den sogenannten Lumpenstieg hoch. 500 Meter mit gleich 200 Höhenmetern. Oben waren dann wahrscheinlich alle wirklich wach und definitiv warm. Die bekannten Gruppen trennten sich auch diesmal nicht. Nur Rainer entschied sich heute mehr oder weniger freiwillig mit der späten Gruppe zu starten und lief mal hier und da mit. Von Harald und Andreas gab es wieder echt gute Erklärungen zur Strecke und Natur und wir kamen auch wirklich gut und vor allem entspannt voran. Nach unseren bekannten Verpflegungsposten musste es dann aber trotzdem irgendwann sein. Warme Sachen schnappen in Schierke und „ruff uff dat ding“.

Seit ein paar Kilometern begleiteten uns nun auch schon Andreas Jackischs Sohn und dessen Freundin. Das motivierte doch schon sehr. Es wurde noch mal richtig anstrengend, da Harald noch nicht richtig ausgelastet war und richtig schnell wurde und so mussten wir alle hinterher. Und dann endlich … Harald Reiff und der Stein und … es war geschafft. Die anderen Läufer waren noch oben, Falkos Familie war mit da – einfach alles super. Es war für mich doch erstaunlich emotional. Einfach richtig, richtig gut!

Fazit: „Immer wieder!“
Sicherlich habe ich total viele Sachen vergessen, aber von dem Erlebnis werde ich noch sehr lange profitieren und mich sooooooooo gern daran erinnern. Wenn ich nun anfangen würde, Leuten zu danken, dann würde ich bestimmt ganz viele vergessen. Alle mit denen ich diese wunderbare Zeit verbringen konnte egal, ob als Läufer, Supporter, Freunde und Bekannte zu Hause und den stetigen Aufmunterungen der Running Gags: Fühlt euch ganz doll umarmt, geknuddelt und geknutscht! Mit euch immer wieder!“

Text: Kay Thormann; Bilder: Jörg Levermann, Sonja Schmitt, Kay Thormann