Aussteigen oder Weitermachen, dem inneren Schweinehund nachgeben oder am Ende dann doch triumphieren? Eine manchmal quälende Frage, mit der wir Ultraläufer häufiger konfrontiert werden.

So jetzt auch in meinem Fall beim Ottonenlauf im Harz. Offiziell 69 Kilometer von Stiege nach Quedlinburg durch den Harz, tatsächlich waren es GPS-vermessene 71 Kilometer bei schwül-warmem Wetter. Überhaupt nicht mein Ding, was ich nicht erst seit dem Ottonenlauf wußte. Eine schöne Strecke, keine Frage, aber mein Körper verliert bei solchen Bedingungen zu viel Wasser, damit auch Salze und Mineralstoffe. Wenn ich da nicht vorbeugend eingreife, sind schnell Magen und Darm in den Teufelskreis mit eingeschlossen. Jedenfalls waren es auch diesmal nicht die besten Voraussetzungen für einen „runden“ Lauf…

Bis zur Marathon-Marke war noch alles im grünen Bereich, danach fühlte ich mich so, als wenn jemand den berühmten Stecker gezogen hätte. Kraftlos, dazu Übelkeit, einfach scheusslich. Sabine Marré aus Königs Wusterhausen (Foto), die das Problem kennt, versuchte mich noch nach allen Regeln der Kunst zu motivieren, aber irgendwann war´s mit dem Zusammenlaufen vorbei. Ich schickte Sabine vor, wollte nur allein sein mit dem angeschlagenen Körper und der aufgewühlten Seele. Jeder Läufer hat so etwas bestimmt schon mal erlebt. Die Salzränder an meinen Klamotten machten deutlich, wie sehr ich diesmal kämpfen musste. Irgendwann im letzten Drittel stand ich kurz vor der Aufgabe. Auf einem Stein sitzend dachte ich nach, noch etwas unschlüssig. Wäre da nicht Katja aus Quedlinburg gewesen, die ihren Freund mit dem Rad begleiten wollte – für mich wäre hier Endstation gewesen! Und so etwas kommt bei mir relativ selten vor. Also entschied ich mich für´s Weitermachen, denn Katja unterstützte nun nicht nicht nur ihren Marathonläufer, sondern auch mich. Wie kurios: Eben wollte ich noch für mich sein,  ganz für mich, und nun war ich dankbar, fremde Hilfe in dieser Form angeboten zu bekommen.

Trotz allem war an ein normales Laufen nicht zu denken, auch wenn die Kräfte langsam wieder zurückkehrten. Aber das Unwohlsein hielt an, hinzu kam ein unentwegtes Seitenstechen. Schlussendlich blieb es bei einem Wechsel aus Geh- und Laufpassagen. In solchen Momenten trauert man jenen Momenten früherer Läufe nach, in denen alles wie am Schnürchen lief. Als man vor allem gegen Ende noch einen Zacken zulegen, alle Erschöpfung und Schmerzen abschütteln konnte. Diesmal war das unmöglich, und ich war erleichtert, als ich endlich – nach etwas mehr als 9 Stunden – das Stadion von Quedlinburg und damit das Ziel erreichen durfte.

Mann, war ich erst mal platt! Tausend Gedanken gehen da durch den Kopf. Wieso? Warum? Was war der Grund, dass aus dem schnellen Hasen eine lahme Ente wurde? Um so mehr freute ich mich, dass es für meinen Freund Andreas Deák und Mauerwegläufer Michael Frenz viel, viel besser lief. Micha lief entspannt eine Zeit von etwa 7 Stunden, wobei man anmerken muss, dass er erst zwei Wochen zuvor einen anspruchsvollen 100-Meilen-Lauf absolviert hatte. Bewundernswert! Und ebenso fantastisch die 7:47 von Andreas. Eine sagenhafte Entwicklung! 2010 erst zu den Mauerwegläufern gestoßen, ganz ohne Ultralauf-Erfahrung, und jetzt einen solchen Traumlauf hingelegt.

Meine Freude über diese Leistungen dämpften etwas meinen persönlichen Frust, wenngleich ich am Ende doch glücklich war, diese Tortur ohne größeren Schaden überstanden zu haben… Der Ottonenlauf steht bei mir aber schon im Kalender für das nächste Jahr, denn mit der lahmen(den) Ente habe ich noch eine Rechnung offen… 😉