Es klingt unvorstellbar, und manche(r) wird die Laufstrecke bestimmt hinterher noch einmal virtuell bei Google-Maps oder gedanklich abgelaufen sein, um wirklich zu begreifen, was man in diesen fünf Tagen im März 2013 vollbracht hat. Nämlich fast genau 300 Kilometer zu Fuß vom Berliner Hauptbahnhof bis zum Jugendgästehaus in der Dresdener Maternistraße! Und damit der würdige Nachfolger der beiden Vorläufe von Berlin nach Cottbus aus den Jahren 2011 und 2012, welche die Vorlage für dieses einmalige Event der LG Mauerweg Berlin e.V. lieferten.

Rund 40 Läuferinnen und Läufer hatten sich angemeldet. Am Ende standen 31 mit gepackten Taschen am Start. Eine logistische Herausforderung für das eifrige Helfer-Team der LGM, denn die eher bescheidenen Transportmöglichkeiten reichten gerade so aus, um sämtliches Gepäck inklusive der Verpflegung zu verstauen. Erschwerend kam auch noch hinzu, dass kurzfristig mehrere Helfer krankheits- und berufsbedingt nicht zur Verfügung standen, sodass alle Verantwortung auf Nina, Harald, Gabi, Mathias und Jörg lastete. Und es ist unglaublich, wie großartig dieses Team die sich ergebenden Aufgaben und Herausforderungen meisterte – ein Kraftakt sondergleichen und kaum mit Worten zu beschreiben!

Gestartet wurde „Berlin-Dresden 2013“ bei wunderschönem Sonnenschein-Wetter in vier Tempogruppen, nämlich von schnellen 6 Minuten pro Kilometer im Schnitt (zuzüglich ca. 5 Minuten pro Verpflegungspause) bis hin zu eher gemütlichen 7:30 Minuten. „Guides“, ausgerüstet mit Garmin-Navigationsgeräten, sollten die einzelnen Gruppen führen und nebenbei auch noch auf das richtige Tempo achten. Auch keine einfache Aufgabe, denn die Geschmäcker und Vorlieben innerhalb einer Gruppe könnten manchmal unterschiedlicher nicht sein. Doch in der Praxis stellte sich sehr bald heraus, dass sich im Verlauf von fünf Tagen immer wieder kleinere Gruppen bildeten, die ihren ganz eigenen Rhythmus fanden.

Vom Hauptbahnhof ging es am ersten Tag zunächst über den Berliner Mauerweg, der an den früheren Grenzverlauf erinnert, bis kurz vor Schönefeld. Deutsche-deutsche Geschichte hautnah im Laufschritt, vorbei an East Side Gallery, Oberbaumbrücke und dem Mahnmal des letzten Maueropfers, Chris Gueffroy. Bis Königs Wusterhausen ist der Streckenverlauf landschaftlich nicht unbedingt ein Hingucker oder eine Schönheit; erst danach lässt der Weg Industrie und Großstadt-Gewusel hinter sich und verschwindet in den Wäldern rund um das Etappenziel am Frauensee in Gräbendorf. Überhaupt kann man sagen, dass ein Markenzeichen von „Berlin-Dresden“ die abwechslungsreiche Strecke war und ist, nämlich städtisches Ambiente gemischt mit viel Wäldern, Seen, zwischendurch auch immer wieder kleine Dörfer und kurze Trail-Abschnitte. Übernachtet wurde in einfachen, aber guten Herbergen. Dies ermöglicht vor allem ein optimales Preis-Leistungsverhältnis beim Startgeld (229 Euro komplett), erspart den Teilnehmern aber auch die sehr gewöhnungsbedürftige Übernachtung in überfüllten und lauten Turnhallen. Zwar sind Nächte in 4-Bett-Zimmern auch nicht jedermanns Sache, aber eine richtige Matratze in der Horizontalen ist bei einem solchen Etappenlauf auch nicht verkehrt. Schreck-Momente gab es im Orga-Team nur zu Beginn: Ein Versorgungsfahrzeug ließ sich nicht mehr starten und blieb mitten im Wald kurz vor Gräbendorf liegen. Ein anderes Fahrzeug musste mit defekter Hydraulik in die Werkstatt – aber alle Pannen ließen sich zum Glück und mit dem Geschick des Helfer-Teams schnell beheben. Durchatmen bei allen Beteiligten!

Nach den ersten gut 60 Kilometern von Berlin zum Frauensee standen am zweiten Tag die kräftezehrenden Kraußnicker Berge und in die ersten Ausläufer des Spreewaldes auf dem Programm – von Gräbendorf bis Lübben. Wald ist vielleicht nicht die korrekte Bezeichnung, denn häufig sind es nur (aber schöne) Alleen, die die Laufstrecke säumen. Und auch auf dieser zweiten Etappe gab es alle 8 bis 10 Kilometer wieder den mobilen Rund-um-sorglos-Service der LG Mauerweg: Heisse Getränke, Cola und Schorle, süße und salzige Leckereien, Schnittchen, ob nun vegan-vegetarisch oder für Fleischliebhaber. Und wenn´s mal nicht richtig lief an den fünf Tagen, so dürfte es bestimmt nicht an der Verpflegung gelegen haben…!

Tag 3 stand ganz im Zeichen der 56 Kilometer langen „Spreewald-Etappe“ von der Jugendherberge Lübben bis zum Sportzentrum in Cottbus. Also wieder Natur pur und die kurzzeitige Rückkehr zur Zivilisation. Der dritte Tag ist häufig bei Etappenläufen jener Zeitpunkt, an dem sich der Körper auf die Dauerbelastung einstellen sollte – oder auch nicht… Glücklicherweise blieben aber Ausfälle auch auf dieser kritischen Etappe die Ausnahme.

Wenn man eine Umfrage unter den Teilnehmern von „Berlin-Dresden“ machen würde, wäre die vorletzte Etappe beim Ranking der beliebtesten Abschnitte sicherlich an vorderster Stelle zu finden. Was nicht nur am angenehmen Wetter lag (der Wind pfiff nicht mehr so eiskalt), sondern vor allem an den sehr kontrastreichen und attraktiven 72 Kilometern bis ins sächsische Neschwitz. Wieso Neschwitz? Zugegeben – auch wir kannten bis zur Planung dieses Laufs diesen Ort noch nicht mal vom Hörensagen. Aber letztlich rückte der Standort der Jugendherberge Neschwitz in den Fokus der Überlegungen. Und die überaus freundlichen Herbergseltern waren eine Bestätigung, die richtige Wahl getroffen zu haben. Von der Gastfreundschaft bis hin zum abendlichen Nudel-Buffet – einfach optimal!

Wer es bis Neschwitz, bis zum Beginn der letzten Etappe geschafft hat, sollte eigentlich keine Probleme mehr haben, einen solchen Etappenlauf erfolgreich zu beenden. Man riecht das Ziel förmlich…! Bis Dresden sind es „nur“ noch etwa 63 Kilometer. Die aber dafür mit ordentlich Profil, dazu auch noch ein kleiner Trail in der Nähe des Quellgebiets der Schwarzen Elster. Und fiese Schneereste machten das Unterfangen nicht viel einfacher, eher anstrengender. So mussten denn leider zwei unserer Freunde auf dem Schlussabschnitt die Segel streichen und ihren vorzeitigen Ausstieg verkünden… Am Ende aber erreichten 26 Läuferinnen und Läufer nach rund 300 Gesamt-Kilometern das langersehnte Ziel in der sächsischen Hauptstadt. Ein Wahnsinn! Vergessen waren in diesem Augenblick die nervenden Schmerzen und Entbehrungen, ebenso die Flüche unterwegs und mancher verführerische Gedanke ans Aufhören. Die nachfolgenden Szenen im Ziel waren bezeichnend für den gesamten Lauf: In den Armen liegende Finisher und Helfer, denn so ein Etappenlauf schweisst – trotz der Vielzahl von Individualisten – richtig zusammen! Noch so eine Erkenntnis.

Was bleibt am Ende nach diesen fünf Tagen von Berlin nach Dresden? Natürlich viele, viele Erfahrungen und Erlebnisse. Bleibende Erinnerungen. Und ein Plan, der vielleicht in  den kommenden Jahren Realität werden könnte, noch aber in der Schublade ruht…

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