LGM-Läuferin Antje Matthiesen hat ihren ersten Etappenlauf gemeistert und gibt mit ihrem Bericht einen Einblick in ihre Gedankenwelt vor, während und nach dem Lauf:

„Mein Mann kam im Herbst 2018 auf die glorreiche Idee, als Helfer beim Etappenlauf der LGM 2019 mitzumachen, sechs Tage, von Porta Westfalica  nach Halle an der Saale. Natürlich überlegte auch ich gleich:

  • soll ich mich auf eine Woche sturmfreie Bude freuen?
  • soll ich was ganz anderes machen?
  • oder soll ich evtl. sogar mitlaufen?

Der Gedanke mitzumachen reifte, Stück für Stück, wobei ich zwischenzeitlich wahnsinnig wurde, weil ich schwankte zwischen:

  • völlig bekloppt, vergiss es, haste noch nie gemacht, sechs Ultras am Stück, 8000 Höhenmeter, auf GARKEINEN Fall!

und

  • ach versuch es doch mal, aufhören geht doch immer, wer nicht wagt usw. 

Das ging  wild hin und her in meinem Kopf und Bauch. Letztlich gewann der Wagemut die Oberhand,  ich meldete mich an und war in Folge manchmal der Meinung, wahnsinnig geworden zu sein!

Dazu muss gesagt werden, ich bin vorher zwar schon so einige Marathons und auch Ultras gelaufen, auch schon mal einen (1!) Doppeldecker, aber mehr auch nicht und als Berlinerin war ich nun auch nicht die Spezialistin für Höhenmeter (HM). Aber naja, wer nicht wagt…

So kam es, dass ich am Freitag, 24.05., mit meinem liebsten Andreas Pfeiffer und zwei reizenden Mitfahrern John Kupferschmidt und Gunnar Meikstat in Porta Westfalica ankam. Die Startnummernausgabe erfolgte herrlich unspektakulär open air mitten in Porta, einige bekannte und noch viele unbekannte Gesichter tauchten auf, große Wiedersehensfreude allerorts!

Den  Abend verbrachten wir griechisch, bevor alle früh in die Betten verschwanden, war doch Start am nächsten Tag, die erste Etappe mit 52km sollte uns nach Hameln führen.

Diese Verhalten, dass sich  jeden Abend nach dem Essen fast umgehend alle in ihre Zimmer verkrümelten, war echt lustig, aber auch wichtig, galt es doch sich und die Ausrüstung vorzubereiten für die nächste Etappe!

Es gab jeden Tag drei Startzeiten, einen Früh-, einen Mittel- und einen Spätstart, ich entschied mich für die mittlere Zeit und bereute das nicht eine Sekunde, an keinem der Tage.
Los ging es bei bestem Wetter und auch gleich die Hügel , bzw. eher die Treppen hoch, aber irgendwie müssen die 8000 HM ja zusammen kommen!

Es ergab sich vom ersten Tag an, dass ich immer mit Helga Brokat und Steffen Sens, meinen beiden LGM-Kollegen, zusammen lief, das passte immer und machte viel Spaß!

Steffen, Antje und Helga (v.l.n.r.) im Ziel der ersten Etappe

Wir erreichten Hameln nach 52 km, 1460 HM in guten sieben Stunden und hatten noch Zeit, die Stadt zu erkunden, Helga und ich genossen einen köstlichen  Kaffee in einem kleinen Coffeeshop. Zum Abendessen gab es die Siegerehrung, wie in Folge an jedem Abend, bei den Jungs ging vom ersten Tag an Eckhardt Seher in Führung, unglaublich was er lief – und davor und danach immer noch die Klamotten der anderen auf die Zimmer, bzw. in die Autos verteilte.

Der zweite Tag brachte uns nach Alfeld, die 61km mit 1700 HM waren laut der Orgaleitung die anspruchsvollste  Distanz und so erreichten wir den Ort mit mehr als zwei Stunden zusätzlich für die knapp 9 km mehr als am Vortag. Aber diese Strecke hatte es auch wirklich in sich, aber es lief und es ging uns gut!

Über den Ith-Kamm - traumhafte Wege und Aussichten, aber nicht leicht zu laufen.
Über den Ith-Kamm – traumhafte Wege und Aussichten, aber nicht leicht zu laufen.

Am Tag 3 erreichten wir nach 72 km und 1800 HM Bad Harzburg, es ging durch Seesen und die schöne Stadt Goslar. Hier gab es als besondere Herausforderung die Tatsache, dass plötzlich mitten im Wald der Weg gesperrt war, wegen Baumarbeiten, Durchgang strengstens verboten, was uns nach 46 km nicht so leicht fiel zu beherzigen und so ignorierten wir das nicht zu übersehende weiße Banner.  

Es folgten längere Diskussionen mit den Waldarbeitern, div. Telefonate mit der Orgaleitung aber letztlich kamen wir alle heile an, wenn auch die einen oder anderen mit leichten Umwegen!

Waldarbeiten – die Begeisterung hielt sich sowohl bei den Teilnehmern als auch bei der Orga-Leitung in Grenzen.

Auf der 4. Etappe durften wir durch Wernigerode, dann die Rosstrappe passieren, bevor es runter nach Thale ging, um dann gleich wieder hoch auf den Hexentanzplatz zu laufen. Es hätte natürlich auch jeweils eine Seilbahn zur Verfügung gestanden…

Großartig hier war, dass unten in Thale plötzlich Ronald Musil stand und uns mit Fencheltee und Erdbeeren beglückte, großes Hallo! Nach 68km, 1800 HM bei dem einzigen Regen in all den Tagen erreichten wir Gernrode. Hier macht sich so langsam mein Schienbein bemerkbar, aber das war ja auch nicht anders erwartbar.

Exzellente VPs erwarteten die Läufer – diesmal Rührei und Bratwurst à la minute.

Die  5. Etappe mit 59 km und 1180 HM brachte uns in die Lutherstadt Eisleben, bevor es dann auch  schon auf die letzte Tour nach Halle an der Saale ging. Mit 46 km und 420 HM die Bambini-Strecke, die es aber als 6. Etappe und auch aufgrund des Feiertages („Herrentag“) in sich hatte. Nach den Tagen der Einsamkeit im schönen Harz kam ein kleiner Kulturschock mit all den Menschen, vorzugsweise männlich und in Gruppen:-)

Auf der „Bambini-Etappe“ – nur orientieren muss man sich können…

Diese letzte Etappe wanderte ich größtenteils und erstmalig alleine, mein Schienbein wollte nicht mehr so wirklich, aber ich genoss auch das Wandern sehr und erlebte sogar 30 Meter vor mir einen Wildwechsel, als ein Reh über den Weg rannte. Sehr schön war auch,  dass ich die letzten Kilometer mit Madeleine Hamburger aus Rostock laufen konnte, so vergingen auch die allerletzten Kilometer wie im Fluge und den langersehnten Schoko-Shake gab es in der Innenstadt, Wahnsinn, war das köstlich!

Auf der Zielgeraden: Madeleine Hamburger und Antje Matthiesen

Auch am letzten Abend gab es wie jeden Abend die Siegerehrung, jetzt natürlich die Gesamtsiegerehrung mit Wertung und Ehrung für jeden Einzelnen!!

Natürlich wurden auch die Helfer und das Orgateam geehrt: Das, was sie geleistet haben, damit wir laufen konnten,  war der Hammer und oftmals wirklich unglaublich! Dafür auch an dieser Stelle noch einmal einen ganz, ganz herzlichen Dank!

Alle im Ziel – glücklich und erschöpft.

Ich bin heute nach über einer Woche immer noch sehr geflasht von dieser Aktion! Ich habe so unglaubliche Menschen kennengelernt,  kann es immer noch nicht so richtig glauben, dass ich Teil dieser wahnsinnigen Aktion war und wirklich sechs (!) Ultras nacheinander gelaufen bin, UNGLAUBLICH!“

Text: Antje Matthiesen

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