Derzeit basteln sich ja viele von uns ihre kleinen und großen Ziele und Herausforderungen zusammen. Dorothee Serries beispielsweise sah die Zeit als gekommen, den kompletten Mauerweg kennenzulernen – wie dies im wahrsten Sinne des Wortes „ablief“, schreibt sie auf unserem Blog:

„Wenn 161 km auf einmal mindestens 80 zu viel sind, dann eben in mehreren Etappen und mit genügend Pausen dazwischen. Die Idee kommt mir, als ich Anfang April zum ersten Mal alleine einen Trainingsmarathon zwischen Hennigsdorf und Rosenthal laufe und mir einfällt, dass ich einige Abschnitte gar nicht oder höchstens von weit zurückliegenden Radtouren kenne.

Teil 1: Von Hennigsdorf  zum Checkpoint Charlie, 17.04.2020
Dieser Teil des Mauerwegs ist mir noch gut vertraut, da ich viel im Berliner Norden unterwegs bin und auch schon öfter mit dem Mauerweg-Lauftreff Richtung Innenstadt unterwegs war. Ich starte an einem kühlen Freitagmorgen um 7:30 Uhr … und stehe um viertel nach zwölf zufrieden bei strahlender Sonne am Checkpoint Charlie. Dazwischen viele Erinnerungen an schöne Lauftreff-Gespräche und die Viererstaffel 2019, wo ich als Startläuferin in der Gegenrichtung hier unterwegs war und nach 34 km und dreieinhalb Stunden beschlossen habe, dass es beim nächsten Mal gerne etwas mehr sein darf. Die Zweierstaffel steht – wenn nicht jetzt, dann in 2021! In der Innenstadt drehe ich noch eine kleine Runde um den Block, um auf die Marathondistanz zu kommen. Reicht für heute!

Teil 2: Vom Checkpoint Charlie nach Lichtenrade, 23.04.2020
Der zweite Teil meines Laufs beginnt sechs Tage später. Heute ist einiges anders als in der Woche zuvor: Erstens komme ich von der Arbeit und starte erst mittags gegen 13:30 am Checkpoint. Zweitens ist es bereits beim Start schon warm (ca. 20 Grad), und drittens kenne ich diesen Teil der Strecke noch überhaupt nicht. Alles in allem perfekte Bedingungen, um ganz in Ruhe loszutraben und sich keinen Zeitdruck zu machen. Aus der Stadtmitte geht es  über die Schilllingbrücke zur East Side Gallery, wo ich zumindest den Spruch, wenn auch leider nicht das ganze Bildmotiv zum letztjährigen 100 Meilen-Shirt wiederfinde…

Die erste Pause mache ich an der Gedenkstele für Chris Gueffroy am Britzer Verbindungskanal. Auf den Fotos nicht zu sehen sind die Menschen, die sich bei sommerlichem Wetter in Parks und Grünanlagen tummeln. Abstand zu halten ist hier wirklich nicht einfach!! In Radioberichten, die ich während des Laufens höre, wird passend dazu über Lockerungen coronabedingter Einschränkungen diskutiert.

Zwischen Adlershof und Buckow vergisst man wieder einmal, dass man sich in der Großstadt befindet – gäbe es nicht ab und zu Ausblicke auf die südlichen Ausläufer Neuköllns… Kurz hinter der Buckower Chaussee haben sich Anwohner/-innen eine Kreativaktion ausgedacht und das Ergebnis kann sich sehen lassen…

Nicht nur hier in Lichtenrade vermissen Erzieher/-innen und Lehrer/-innen derzeit die Kinder!!

Hier angekommen, habe ich zum ersten Mal auf unbekannter Strecke wirklich Orientierungsprobleme, da ich weit und breit keine Beschilderung mehr finde. Nach 10 bis 15-minütiger Suche in der Umgebung weiß ich immerhin, wo ich bei der nächsten Etappe einsetzen muss. Denn allmählich wird es Zeit für den Heimweg, so dass ich noch zwei km bis zum S-Bahnhof Schichauweg trabe und dort den Lauf nach 36 km beende.

Teil 3: Von Lichtenrade nach Krampnitz, 01.05.2020
Heute kann ich wegen des Maifeiertags wieder früh starten – und nutze die Chance, möglichst lange noch ungestört von Ausflüglern und Hitze unterwegs zu sein. Bereits um 6:45 Uhr steige ich am Schichauweg aus der Bahn und habe den Einstieg an der Lichtenrader Stadtgrenze schnell gefunden. Bei sonnigem, aber kühlem Wetter vergehen die ersten knapp 14 km schnell, zumal ich schon etwas habe, worauf ich mich freuen kann: Birgit Leszinski hat angefragt, ob sie mich ein Stück begleiten soll, und ich bin gespannt, wann sie mir entgegenkommt. An der B101 (Marienfelder Chaussee) ist es soweit!

Fröhlich erzählend genießen wir den Ausblick auf die Felder, und natürlich darf auch ein (schon leicht verblühtes) Kirschblütenfoto nicht fehlen, original aus Teltow. Birgit lässt sogar den berüchtigten Königsweg kurz erscheinen und zeigt mir die Schönheiten ihres Laufreviers, hier am Griebnitzsee. Viel zu schnell kommt bei km 39 die Glienicker Brücke, wo wir uns wieder trennen… Auch Birgit wird an diesem Tag um die 50 km zurücklegen.

Wieder alleine, wird mir nicht langweilig, ich bin wie immer fasziniert von den Ausblicken in Potsdam….so sehr, dass es mich auch fast nicht stört, als ich mich am Neuen Garten noch einmal ordentlich verlaufe. Birgit hat mich zwar darauf hingewiesen, dass dort der Haupteingang gesperrt ist und man einige 100m links davon in den Garten laufen muss. Daraus werden dann letztlich ungefähr drei zusätzliche Kilometer, da ich „offiziellen“ Hinweisschildern zu folgen versuche und eine große Schleife um und durch den Garten laufe. Dieser lohnt aber einen Umweg und einige Fotopausen wirklich. An der Meierei ist dann der Mauerweg wieder leicht zu finden und es sind nur noch einige Km größtenteils am Wasser entlang bis zu meinem Ziel in Krampnitz. Genau an der Bushaltestelle springt die Uhr auf 50km und ich vergesse vor lauter Zufriedenheit, ein Zielfoto zu machen.

Teil 4: Von Krampnitz nach Hennigsdorf. 08.05.2020
Ursprünglich hatte ich ja überlegt, alle vier Etappen alleine zu laufen, aber da es auf dem dritten Teil so schön war, sich begleiten zu lassen und Steffen Bruntsch schon vor einiger Zeit gefragt hat, ob wir nicht einmal einen Teil der nordwestlichen Strecke zusammen laufen, haben wir uns für den letzten Teil morgens um halb neun in Krampnitz verabredet. Genauer gesagt treffen wir uns bereits in Spandau und fahren mit dem Bus Richtung Potsdam – für ihn so ziemlich die weitestmögliche Anfahrt – vielen Dank, dass du sie trotzdem auf Dich genommen hast!

Die ersten km bis nach Sacrow begegnen wir kaum einem Menschen und genießen das Laufen größtenteils durch den schattigen Wald bis zum berühmten Wechselpunkt am Schloss (Bild 28). Auf den darauffolgenden Kilometern wird es allmählich wärmer, aber die Zeit vergeht dank diverser Läuferanekdoten trotzdem schnell, so dass wir erst bei km 17 wieder eine Pause am Waldrand einlegen.

Über Groß Glienicke und die B2 geht es in den Bezirk Spandau und zur Falkenseer Chaussee. Ab hier beginnt für mich wieder bekannteres Gelände und obwohl der Eiskeller wieder einmal seinem Namen keine Ehre macht und es mittlerweile ordentlich warm ist, arbeiten wir uns tapfer über die Bürgerablage zur Brücke über den Havelkanal vor. Hier beginnt dann quasi schon der Endspurt, kurz vor der Marathonmarke werden wir tatsächlich angesprochen, ob wir gerade Marathon laufen… und irgendwann haben wir dann den Ruderclub Oberhavel erreicht. Dort schummle ich ein wenig, denn anstatt auf dem Mauerweg den letzten km heimzulaufen, biege ich mit Steffen zum Bahnhof in Hennigsdorf ab, wo wir uns nach knapp 45 km das wohlverdiente Ziel-Eis gönnen.

Fazit:
Es ist geschafft, ich konnte wie geplant innerhalb von 4 Wochen die gesamte Strecke des Mauerwegs zurücklegen. Zwischen Start- und Zieltag lagen 21 Tage, zwischen den einzelnen Teilen jeweils 5-7 Tage Pause. Zwischendurch bin ich regelmäßig gelaufen und war jede Woche insgesamt zwischen 65 und 85 km unterwegs. Es waren meine bisher intensivsten Laufwochen (habe 2016 angefangen und bin meinen ersten Marathon im Sommer 2018 gelaufen) und ich bin sehr dankbar, dass ich sie ohne Verletzungen genießen konnte.

Jeder und jedem, der/die Lust hat, würde ich empfehlen, so einen Etappenlauf auszuprobieren – man kann sich die Strecke ja so einteilen, wie es logistisch und motivationstechnisch passt. Den Tipp von Harald Reiff, im Uhrzeigersinn zu laufen, gebe ich gern weiter – mir hat es gefallen, mich in den ersten Etappen quasi aus der Stadt herauszuarbeiten und die beiden letzten Teile waren landschaftlich definitiv am schönsten. Beim nächsten Mal würde ich mir auf jeden Fall die Strecke als Track mitnehmen – hatte dieses Mal zwar nur zwei Mal ein größeres Orientierungsproblem und konnte es auch mit Hilfe einer normalen Karte auf dem Handy lösen – das ist aber zeitaufwändig und kann einen ganz schön aus dem Tritt bringen.

Auf dem dritten und vierten Abschnitt teilweise bzw. ganz mit Begleitung zu laufen war wunderbar, vor allem nach den einsamen Trainingswochen der letzten Zeit – gleichzeitig bin ich mir ziemlich sicher, dass ich auch alle vier Teile alleine hätte laufen können, wenn es sich so ergeben hätte. Die abwechslungsreiche Strecke und die Neugier auf bislang unbekannte Abschnitte haben mich durchgehend motiviert. Selbstverständlich waren die Beine zwischendurch auch mal schwer (zuverlässig zwischen km 28 und 33, danach wurde es jedes Mal wieder besser und leichter), aber glücklicherweise niemals so, dass ich ernsthaft ans Aufgeben gedacht hätte.

So etwas ist nicht selbstverständlich, wir kennen alle diese Tage, an denen einfach nichts passen will, ganz zu schweigen von gesundheitlichen Problemen. Vieles können wir nicht beeinflussen – aber es gibt doch so Einiges, was hilft und stärkt, zum Beispiel die vielen schönen Ideen und Bilder auf dieser Seite – und natürlich die vielen Menschen dahinter, die einen mit verrückten Ideen inspirieren und zugleich zeigen, wie viele individuelle Möglichkeiten es gibt, sich Ziele zu setzen, dabei Freude zu haben und Kraft zu tanken. Danke Euch allen, bleibt gesund und habt noch einen schönen (Lauf-) Sommer!

Text : Dorothee Serries
Fotos: Dorothee Serries & Steffen Bruntsch

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