Alle zwei Wochen treffe ich mich mit Steffen Sens zum gemeinsamen Laufen: von mir zu Hause einfach eine Runde von bis zu zweieinhalb Stunden. Jedes Mal ist es ein anderer Streckenverlauf, denn immer wieder laufen wir neue Passagen entlang. Nur eines ist mir wichtig, es sollen wenige Passagen in der Stadt sein. Daher zieht es uns immer Richtung Nordosten Richtung Weißensee oder Blankenburg hinaus. Am vergangenen Dienstag war es zu Beginn noch bedeckt. Als wir die letzten Gartenhäuser der „Kleingartenanlage Märchenland“ gerade hinter uns gelassen hatten, zeigten sich doch noch die Strahlen der Abendsonne. Sonst war hatten wir kaum Begegnungen.

Läufer-Feierabend

Später auf dem Balkon beim gemeinsam Corona sprachen wir auch über anstehende Laufziele. Mein nächstes Ziel wird wohl dreistellig, aber ich möchte das jedoch nicht allein bestreiten. Die großartige Erfahrung vor kurzem zu fünft oder eben auch schon öfter zu zweit läuferisch unterwegs zu sein, ist mir persönlich sehr wichtig. Auf Nachfrage von Steffen, warum das so sei, hatte ich eine einfache Erklärung. Ich teile meine Erlebnisse sehr gerne, ich erreiche Ziele am liebsten gemeinsam. Mental könnte ich auch stundenlang alleine laufen. Bei den Etappenläufen am Balaton und um Berlin war ich teilweise auf mich gestellt und konnte mir alles selbst einteilen und mich immer fordern. Ich habe gerne einen Rahmen mit einem besonderen Streckenabschnitt und einem besonderen Verpflegungspunkt und anderen Mitläufern oder Helfern. Das ist mein Anspruch ans Laufen.

Dass ich immer mal wieder den anderen Rahmen genießen kann, ergab sich am letzten Feiertag. Ich war lange wach und sinnierte über mögliche Laufeinheiten in der Woche. Schon lange reizt es mich, dass Tegeler Fließtal zu erkunden. Meine gewünschte Distanz vor dem Streckenbau am Computer waren ungefähr 30 Kilometer. Ich habe in den letzten Monaten einige Strecken geplant, ohne vorher über das Profil und den Laufuntergrund Bescheid zu wissen. Zu Beginn habe ich immer bekannte Streckenteile, die ich gerne laufe eingebaut. Eine oder zwei unbekannte Ziele enthielt am Ende meine Streckenplanung. Der Rückweg von diesen schönen angelaufenen Zielen war dann meistens etwas trostloser und enthielt lange Passagen an Hauptverkehrsstraßen mit Ampeln. Mit einer Streckenführung nach Norden mit Teilen des Pankeweges und dann weiter nach Arkenberge war es wieder ähnlich. Der Rückweg wäre fast schnurgerade gewesen bis zum S-Bahnhof Pankow und dann nur noch Asphalt. Ich freute mich auf meine nachts erstellte Strecke und war gespannt auf die 31km-Schleife mit neuen Entdeckungen. Aber der Gedanke ließ mich nicht los. Ich stellte die Streckenführung meiner Uhr um. Ich wollte die bekannten Laufabschnitte am Ende haben, wenn es nicht mehr so rund läuft. Beim nächsten Mal werde ich das bei der Streckenplanung gleich beachten.

Keine klare Perspektive, in der Hauptstraße – und sonst auch

Der Lauf selbst verlief traumhaft. Gegen 10 waren schon einige Cafés in Pankow besetzt, Menschenschlangen bildeten sich vor den Bäckern und ich konnte laufen. Zuerst durch den Schlosspark am Schloss Schönhausen vorbei immer Richtung Norden. Die langen Passagen, zunächst die Waldstraße und später die Schönhauser Straße entlang, waren gar nicht so trostlos. Vogelgezwitscher war zu hören und die Sonne schien. Anders herum nach knapp drei Stunden hätte ich das bestimmt anders empfunden. In Rosenthal erreichte ich den letzten Teil der Hauptstraße. Hier fanden Bauarbeiten wegen Rohrwechsel statt. Das Bild dieser Straße spiegelte meine derzeitige Perspektive auf das Laufjahr wieder. Zu Beginn hatte ich einen Plan und konnte ihn gut verfolgen. Durch den Wegfall der Laufwettbewerbe und der Absage des Mauerweglaufs wurde der Plan durcheinandergewirbelt und die Perspektiven fehlen. Wie es weiter geht, ist nicht abzusehen. Die Straße war schon etwas fertiggestellt, aber eine Aussicht, wann sie gewollt und strukturiert fertiggestellt werden soll, vermittelte diese Situation nicht.

Ungewohnte Perspektive auf die Arkenberge

Mit diesen Gedanken lief ich weiter auf meinem unbekannten Streckenabschnitt bis ich am Ende dieser trostlosen Straße grüne Bäume erblickte. Dort würde ich rechts abbiegen müssen. Welche Überraschung war es für mich, schon hier auf den Mauerweg zu treffen. Mein zweiter Blick schweifte sofort in die Ferne, wo ich die Arkenberge erblickte – ein grandioses Panorama bei blauem Himmel. Unzählige Male bin ich den Mauerweg beim Lauftreff südwärts gelaufen. Jedoch in die andere Richtung gefühlt nur einmal: 2015 bei meiner Mauerweglaufpremiere Richtung Hennigsdorf. Was war ich damals mit mir beschäftigt bzw. bestimmt schon quatschend mit Christiane Radatz, die ich dort laufend kennenlernte. Aber die Aussicht in Richtung des Gipfels zu laufen hatte ich noch nie und hätte sie auch dieses Mal bei umgekehrter Streckenführung wieder verpasst. Ich war etwas selig und lief weiter.

Abzweig vom Mauerweg

Auf der Hälfte des Lübarser Anstieges – heute ja nicht – kreuzt der Barnimer Dörferweg den Mauerweg. Dies war mein nächster Abbiegepunkt. Jetzt ging es wieder auf Entdeckungstour entlang des Schildower Weges. Diesen nutzte ich nur teilweise und baute eine spontane Schleife in die Niedermoorenwiesen ein. Nach der Überquerung der 96a folgte eine schöne Waldpassage, die ich ganz bewusst lief. Nach einer Rechtskurve lichtete der Wald und der imposante Anblick der Arkenberge eröffnete sich mir. Zunächst etwas ehrfurchtsvoll schaute ich nach oben, mit dem Gedanken, bis zum Erreichen meines unbekannten Gipfels ist es noch weit. Die Idee zumindest diesen Berg in der nächster Zeit zu erklimmen, musste ich aufgrund Absperrung schnell begraben. Aber hey, ich war auf dem Weg und hatte heute allein schon 17 km geschafft und fühlte mich blendend. Etwas später erblickte ich die ersten Badegäste an den beiden Seen. Heute nur in der Sonne zu liegen, wäre nichts für mich. Die Route führte jetzt Richtung Heimat nach Süden. Der Streckenabschnitt vorbei an der Autobahnabfahrt Schönerlinder Straße zählt nicht unbedingt zu den Augenweiden. Etwas bemitleidete ich die Insassen in den Autos, die kilometerlang auf der Autobahn und den angrenzenden Straßen standen.

Die Arkenberge
Der Weg ist das Ziel
2 unter vielen Möglichkeiten finden

Mich erwarteten kleine Straßen, die mich zur Panke führten. Etwas später überquerte ich die immer laute Autobahn. Anders als geplant war mir nun nicht nach Pankeweg, sondern ich wollte die Gegend jenseits der S-Bahngleise kennen lernen. Vor einem Haus spielten zwei Kleinkinder. Eines sah mich laufend auf sich zu kommen und entgegnete mir „Abstand halten!“ Mit einem Lächeln lief ich im großen Bogen vorbei. Etwas später erkundigte sich ein Mann, ob ich denn genug Wasser dabei hätte. Ich bedankte mich strahlend für sein Interesse. Das waren zwei schöne Begegnungen, die ich bei der geplanten Streckenführung verpasst hätte. Auch auf den letzten Kilometern bin ich etwas abgewichen und erblickte eine Rapswiese. In dieser sah ich zwei Mohnblumen. Bei dieser Betrachtung äußerte ich einen Wunsch für dieses Laufjahr. Ich möchte exemplarisch für die ganzen gelben Blumen noch unzählige Läufe unternehmen. Jedoch würde ich mich auch freuen eine oder zwei Mohnblumen zu erleben, die etwas Besonderes für mich bereithalten. Ein Selfie sollte den Lauf wiedergeben. Beim Betrachten des Ergebnisses war ich erneut selig, denn zwei Schmetterlinge hatte ich unbewusst mit auf das Foto bekommen. Manchmal laufe ich nicht allein.

Gemeinsames Selfie
Neue Ecken entdeckt

Fazit: Ich genieße es durchaus auch allein unterwegs zu sein. Lange Läufe nur für mich zu gestalten, dabei Pläne zu schmieden und die Gedanken spielen zu lassen. Die grobe Richtung auf der Uhr zu haben, ist ganz gut, um zu wissen, wie weit es noch zum Ziel ist. Zurzeit immer wieder neue Strecken und Eindrücke zu entdecken, die ich dann vielleicht beim nächsten gemeinsamen Lauf zeigen und teilen kann, ist für mich ebenso eine schöne Erfahrung. Ich werde weiter mit den Strecken experimentieren.

Text: Matze Weiser
Bilder: Steffen Sens und Matze Weiser

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