ERSTER ULTRAWETTKAMPF IN CORONAZEITEN

Wir freuen uns sehr, in diesen Zeiten mal wieder einen Wettkampfbericht teilen zu können. Matze Weiser hat sich die Mühe genommen, seine Gedanken zum ersten Ultrawettkampf in Coronazeiten (am 6. Juni) ausführlich aufzuschreiben. Die längere Lesezeit lohnt sich aber, da gleich mehrere Mauerwegläufer*innen im Bericht eine Rolle spielen.

Einstimmung mit Publikum am Vortag

Nun sitze ich hier am Sonntagmorgen und möchte das Erlebte zu Papier bringen. Ich finde nur schwer einen Einstieg in meinen Erlebnisbericht von dem 24-Stunden-Aufenthalt in Hoyerswerda mit dem ersten gemeinsamen Lauf-Wettkampf nach der Zwangspause durch Corona. So erging es mir gestern auch während des 6-Stunden-Laufes. Ich war völlig von der Rolle und hatte keinen Zugang mehr zu meinem Laufrhythmus. Wie einer Katze zog mir etwas gefühlt immer wieder das Spielzeug an einer Schnur weg und ich konnte es einfach nicht erreichen. Seit der Rückfahrt im Auto grübele ich über das Positive und Negative, was ich von dem Lauf mitnehme und was bleibt? Der Satz „Wenn ein Lauf nicht dein Freund war, dann war er dein Lehrer“ bringt es wohl auch auf den Punkt. Genauso wie der Zuspruch einiger Begleiter vor Ort direkt, oder später via Social Media: Ich hatte eine Krise, aber ich bin wieder herausgekommen.

Ein Wettkampf soll stattfinden

So nun der Reihe nach: Seit einem Vierteljahr haben keine Laufwettbewerbe mehr stattgefunden. Fast wöchentlich habe ich als Mitarbeiter der DUV – Statistik den Laufkalender für Deutschland, Österreich, Tschechien und die Schweiz aktualisiert, indem ich Läufe als abgesagt oder verschoben markiert habe. Durch Recherchen und persönliches Anschreiben von Veranstaltern konnte ich hoffentlich für alle Interessierten ein aktuelles Bild darstellen. Für ein Laufevent konnte ich zunächst nichts in Erfahrung bringen. Ich schrieb dem Veranstalter des „Hoyerswerda 6h Europalaufs“ eine Mail, da auch auf der Homepage kein Update zu finden war. Weitere Absagen von Veranstaltungen musste ich registrieren und wusste auch aus eigener Erfahrung, welche Enttäuschung einen Teilnehmer trifft, das Ziel eines Laufevents einfach nicht mehr vor Augen zu haben. Am 20.Mai bekam ich, etwas überraschend, die persönliche Mitteilung vom Veranstalter, dass der Lauf in Hoyerswerda zwar stattfindet, aber in ein Stadion mit 400m-Bahn verlegt wird. Ein Lichtblick für einige Läufer. Und für mich?

In den vergangenen Monaten hatte ich mir eigene Laufziele gesetzt und sie meistens in Gesellschaft anderer umgesetzt. Im Fokus stand immer das gemütliche Laufen mit dem Ziel, die vorher anvisierte Distanz oder Bewegungszeit zu erreichen. Der Trainingszyklus beinhaltete eine Steigerung in den zwei oder drei Gipfelwochen gefolgt von einer Regenerationswoche. Ich brauche immer einen groben Plan, den ich verfolgen kann. Die Ergebnisse und Erlebnisse waren für mich als Läufer sehr erfüllend. Jetzt bot sich die Möglichkeit, gemeinsam in einer größeren Gemeinschaft ein Lauferlebnis in Hoyerswerda zu erleben. Ich entdeckte in der Teilnehmerliste Julia Jezek, die ich ausgerechnet dort vor zwei Jahren beim Sechs-Stunden-Lauf kennengelernt hatte. Ich kontaktierte sie und es ergab sich die Möglichkeit einer gemeinsamen Anreise zusammen mit ihrem Trainer Volkmar. Wenn das kein Zeichen war. Die Anmeldung führte ich sofort durch, denn das Läuferlimit war auf 50 Teilnehmer begrenzt. Das war zweieinhalb Wochen vor dem Wettkampf und ich hatte keinen Plan über meinen Leistungsstand. Die Grundlagenausdauer war vorhanden, sodass meine Herausforderung nicht darin bestand, sechs Stunden am Stück zu laufen, sondern ein angemessenes Tempo für diese Dauer zu finden. Aus meinen bisherigen Erfahrungen bei Stundenläufen und dem erfolgreichen 50km-Jahresauftakt in Rodgau avisierte ich ein Tempo von 5:40-5:45min/km an, um mein Ziel von 60 Kilometer zu erreichen. Dank der Idee von LGM-Trainer Steffen Bruntsch habe ich die sechs Stunden zwei Wochen vor dem Wettkampf simuliert. Vier Stunden am Samstag auf der Laufbahn und zwei Stunden am Sonntag sollten mir Gewissheit geben. Problemlos konnte ich das Tempo mit Radbegleitung am Sonntag einhalten. Am Vortag musste ich nach zweieinhalb Stunden das Tempo etwas reduzieren. Ich verbuchte dies als gelungene Generalprobe mit dem Potential und mit Wettkampfflair mein Ziel zu erreichen. Immerhin konnte ich den Wettkampf mit in 400m-Runden simulieren.

2. Die Wettkampfstätte
3. Vorfreude zu dritt
4. Jeder Teilnehmer hatte seinen VP

Einstimmung und Hygienekonzept der Veranstaltung

Die Vorfreude stieg und das Warten hatte am Freitag endlich ein Ende. Das zweiwöchige Tapering verlief nur in der ersten Woche planmäßig. Zu Beginn der zweiten hatte ich gefühlt immer schwere Beine. Den geplanten 10km-Lauf am Dienstag brach ich mit Wadenprobleme nach drei Kilometer ab. Der 6km-Lauf am Donnerstag im GA2-Tempo sowie eine Massage am Freitag gaben mir etwas Sicherheit zurück.

Für die Sicherheit der Läufer und Helfer vor Ort hatte der Veranstalter ein Konzept entwickelt, das mit den Behörden abgestimmt und genehmigt wurde. Ich befürworte diese Herangehensweise. Die Denkweise, es gibt nur das ursprüngliche Programm und wenn das nicht funktioniert sage ich die Veranstaltung mehrere Monate vorher komplett ab, ist für mich schwer nachzuvollziehen. Ich sehe es im Nachhinein als großes Privileg an, Teilnehmer gewesen zu sein. Hier wurde etwas Großartiges vorbereitet und es wurden an alles gedacht, wie dieser Auszug zeigt:

  • In den Umkleidekabinen ist ein Zwei-Meter-Abstand der Sportler gewährleistet (Kabinenauslastung 30%). Duschen und Toiletten sind nur durch eine Person zu betreten.
  • Alle Teilnehmer vermeiden den direkten Körperkontakt und halten den Mindestabstand von 1,50 Meter stets ein (beim Laufen hintereinander ist der Abstand auf mindestens fünf Meter zu vergrößern, Windschatten –und Nebeneinanderlaufen ist verboten).
  • Spucken und niesen ist nur außerhalb der Laufbahn gestattet.
  • Die Toiletten sind 20 Meter von der Bahn und werden durch Flaggenfarben (rot = Damen, schwarz = Herren) als „BESETZT“ geregelt.

und das beste: „Jeder Teilnehmer hat seinen eigenen Verpflegungsstand und wird umfassend versorgt.“

Im benachbarten Hotel direkt am Friedrich-Ludwig-Jahn-Stadion haben wir drei eine günstige Unterkunft gefunden. Die Mahlzeiteinnahme ist derzeit nicht gegeben, aber ein Restaurant in unmittelbarer Nähe gewährleistete uns eine gute Möglichkeit der gemeinsamen Einstimmung auf den großen Tag. Der Verdauungsspaziergang führte uns dann zur Wettkampfstätte, die eigentlich schon verschlossen war. Julia sprach eine Gruppe Fußballer vor dem Vereinsheim an und diese übergaben uns den Schlüssel, sodass wir die graue Laufbahn einmal umrunden und uns von den Gegebenheiten ein Bild mach konnten. Publikum, wie bereits derzeit in einigen Fußballstadien praktiziert, war schon platziert worden. Dieser Ort machte Lust auf Laufen und bot einen würdigen Auftakt für Ultra-Laufveranstaltungen.

5. Die glückliche Ultra-Debütantin Dorothee Serries
7. Renngeschehen
6. nach 2 Stunden lief es gut mit zufriedenem Betreuer im Hintergrund

Es geht los: Rhythmus finden und das Debüt von Dorothee

Der Lauftag begann um 5:40 Uhr mit einem gemeinsamen lockeren 20-minütigen Lauf an der Seite von Julia. Das und die Einnahme des Frühstücks drei Stunden vor dem Start probierte ich auf ihre Anregung hin erstmals aus. Für neue Ansichten bin ich immer zu haben. Mein improvisiertes Frühstück auf dem Zimmer bestand aus zwei Brötchen mit Tomatenmark aus der Tube. Nach einer Ruhephase und der persönlichen Lauf-Vorbereitung sind wir gemeinsam zu 7:30 Uhr mit Volkmar zum Stadion gefahren, um auch dort alles vorzubereiten und die Startunterlagen in Empfang zu nehmen. Das Kribbeln vor Ort wurde immer stärker. Erfreulicherweise konnte ich ein paar bekannte Gesichter treffen. Katharina Noll hatte sich spontan für den ebenfalls ausgetragenen Halbmarathon angemeldet, während Mike Hausdorf und Dorothee Serries wie ich die Ultra-Herausforderung suchten.

Sie hat es wohl nicht bereut, denn sie ist tatsächlich Zweite bei den Frauen bei ihrem offiziellen Ultra-Debüt mit 51,336 Kilometer geworden. Ihr Statement hat sie mir nach dem Lauf gesendet: „Ich bin mit meinem ersten Ultra-Wettkampf sehr zufrieden und von der liebevollen Organisation begeistert. Wenn man sechs Stunden lang seinen Schlafmangel nicht spürt, muss es eine gute Veranstaltung sein. Und es war hilfreich, kein festes Ziel zu haben, um sich nicht zu sehr unter Druck zu setzen.“ Herzlichen Glückwunsch Dorothee. Ich freue mich, dass ich sie auf den Europalauf aufmerksam gemacht habe.

Der Startschuss um 9 Uhr wurde für in drei Disziplinen auf der Naturbahn gegeben, die stellenweise mit grauem Kies bedeckt war. Die 18 Teilnehmer am Halbmarathon starteten 100 Meter vor und vier Marathon-Startern 195 Meter hinter den 26 Ultraläufern. Für den vorher bekannten Untergrund hatte ich mir nicht nur Gamaschen zur Vermeidung von Fremdkörpern im Schuh mitgenommen, sondern auch meine wasserfesten Speedcross-Trailschuhe, um für einen Regen vorbereitet zu sein. Als Backup hatte ich ein Paar Allroundschuhe dabei. Letztere trug ich beim frühmorgendlichen Lauf, allerdings mit einem unsicheren Gefühl, sodass ich sie für den Lauf auf die Ersatzbank schickte. Meine körperliche Spannung war nicht nur greifbar, ich kommunizierte sie auch jedem, der mich nach meinem Befinden fragte. Die Sicherheit vom Freitag war weg.

Mit dem Knall der Startpistole war alles vorbei und der Wettkampf begann. Nach drei Runden hatte ich meine Ideallinie gefunden, die nicht nur aus der Innenbahn bestand. Einen angenehmem Laufrhythmus im gewünschten Tempo von 5:40min/km hatte ich gefunden – auch unterstützt von der gespielten Stadionmusik. 48 Läufer kreiselten verteilt auf der Bahn und ich war zufrieden, weil es auch bei mir rund lief und ich laufen konnte. Die geplanten Verpflegungen alle 30 Minuten mit Wasser aus der eigenen Trinkflasche und einem Koffeingel, gereicht von Volkmar, funktionierten einwandfrei. Bis auf zeitweisen Gegenwind auf der Gegengerade waren die Laufbedingungen optimal. Alles harmonierte und ich war auf einem guten Weg zu meinem Ziel, die 60,776 Kilometer von Bernau vor knapp drei Jahren zu egalisieren. Bis zur Halbmarathon-Distanz nach knapp zwei Stunden konnte ich mein Wunschtempo halten.

Fast nichts geht mehr

Dann wurde die erste Bremse gezogen und ich verlor auf einmal den Faden. Jemand zog das Spielzeug vor mir weg, aber ich hatte es noch in Sichtweite. Ich lief auf einmal durchschnittliche Kilometerzeiten von 6:15 Minuten, was ich zunächst gar nicht bemerkte. Ich registrierte das erst nach der Hälfte des Laufes, als ich gerade so die 30km-Marke passierte. Was passiert hier, warum kann ich nicht gegensteuern, warum hilft mir die Musik nicht mehr? Die Musik wurde tatsächlich nicht mehr durchgängig gespielt oder die Beats von Stones, Beatles und Co. halfen mir nicht weiter. Ich wich von meinem Versorgungsplan ab und verkürzte die Zeit zwischen den Gel- und Wasseraufnahmen. Aber nichts half und mein Körper sprang nicht darauf an. Im Gegenteil: meine Beine machten zu, immer wieder wurde ich zum Gehen gezwungen. Ich erzählte der vorbeilaufenden Dorothee von meinem Gefühl, dass sich nach und nach meine Körperbereiche abzusprechen schienen, wie man es mir noch schwieriger machen konnte, weiterzulaufen. Sie erwiderte etwas Positives, was leider nicht wirkte. Die Aussage von Volkmar am Verpflegungstisch, dass meine Runden „derzeit weh tun würden“ – wahrscheinlich auch vom Zusehen – zeigten das ganze Drama. Etwas Schwindel bekam ich auch. Seinen Vorschlag durch eine Pause und etwas Dehnen wieder Tritt zu fassen, setzte ich sofort um. Der erzielte Effekt hielt nur ein paar Runden, sodass ich es immer wiederholen musste.

Mittlerweile wurden unsere Teller um weitere Nahrung erweitert und immer wieder aufgefüllt. Erst mit Äpfeln, später Bananen, Gummibären, Nüssen, Salzstangen und Waffeln. Ich schlug zu und der Kreislauf kam schnell wieder zu sich. Auf Zuruf wurden auch Kuchen und Bockwurst bereitgestellt. Auch Apfelschorle und Cola wurden durch die Helfer bereitgestellt. Service am Platz wie in der 1. Klasse.

Diese großartige Umsorgung musste sich irgendwie ummünzen lassen. Aber die Beine wurden immer wieder schwer. Nach 36 Kilometer in knapp vier Stunden suchte ich nach einer anderen Möglichkeit, mir einen Kick zu geben. Ich zog meinen Joker von der Ersatzbank. Die Allrounder hatten mich beim virtuellen Supermarathon so wunderbar unterstützt und ich erhoffte durch einen Schuhwechsel leichtere Beine und legte auch die Gamaschen ab. Diese Befreiung wirkte leider nur für ein paar Runden ebenso wie das kalte Wasser aus den bereitgestellten Eimern. Zwei Buffs dabeizuhaben erwies als Glückgriff. Katharina Noll unterstützte nicht nur mich nach ihrem Lauf an der Strecke, das war hilfreich. Auf der Laufrunde konnte ich mich an die gleichmäßig laufende Dorothee ran hängen. Meine Krise wurde auch von anderen Läufern wie Mike, Jörgen und Julia registriert. Die Aufrufe taten gut, aber wirkten nicht. Hinter meiner Sonnenbrille konnte ich meine Enttäuschung und Wut verbergen. Der Wind forderte mich ebenfalls heraus und meine Verzweiflung zeigte sich jetzt in Tränen. Ich hatte mich so auf den Lauf gefreut, die Bedingungen und Rundherum waren ideal, vielleicht etwas Historisches für mich zu schaffen. Die Enttäuschung, das nicht zu schaffen, hatte ich überwunden. Ich wollte nur mit Spaß Laufen und es genießen können. Die schmerzenden Muskeln in Oberschenkeln und Po wollten nicht mehr. Mein Verstand konnte sie nicht erreichen, hatte aber scheinbar noch eine Lösung. Die bisher ausprobierten Impulse aus meinem Werkzeugkasten nutzen mir bisher nur zeitweise. Der dauerhafte Rhythmusgeber fehlte mir.

Herausforderungen meistern

Das war es! Auch zwei Wochen zuvor hatte ich mir irgendwann meine eigene Musik auf die Ohren gepackt. Erst jetzt merkte ich, dass einige Läufer mit Kopfhörern unterwegs waren und es auch erlaubt war. Nach 4:22 Stunden kam mir der Geistesblitz. Ich ließ mir von Volkmar meinen Rucksack geben. Schnell fand ich die Kopfhörer und mein Smartphone. Der Techno-Sender sunshine live bietet einen eigenen Kanal mit 90er-Musik. Mit den Worten „Ich möchte das hier noch genießen“, lief ich los und fand nach wenigen Metern wieder in einem angenehmen Laufrhythmus. Ich hatte das Spielzeug in meinen Krallen und ließ es nicht mehr los.

39 Kilometer hatte ich bis dahin geschafft und es war genug Zeit sich neue Meilensteine zu setzen: Erst den Marathon, den ich mit Kilometerzeiten unter sieben Minuten bald erreichte und das Minimalziel von 45 Kilometer. In den verbleibenden 50 Minuten wollte ich einfach in dem Tempo bleiben und schauen, was passiert. Meine Hochrechnung betrug 52 Kilometer. Mit 125 Runden hatte ich die magische 50 Kilometer nach 5:45 Stunden geschafft. Das war in Anbetracht der Verzweiflung noch eine Stunde zuvor eine Genugtuung. Der Rest war jetzt nur noch das Sahnehäubchen, denn mein Ziel, die Lauffreude zurückzuerhalten, hatte ich bereits erreicht. „Noch 15 Minuten“, rief mir Volkmar zu. Ja und ich werde sie komplett durchlaufen! Als auf der Uhr noch 2:20 Minuten Restzeit beim Passieren der Startlinie angezeigt wurden, wollte ich eigentlich nur noch die Viertelrunde bis zum Verpflegungsstand schaffen, um mir dort direkt nach dem Schlusspfiff ein Bier reichen zulassen. Bei dem Gedanken wurde ich vom schnellen Mike Hausdorf überholt und ich verwarf mein Vorhaben und hing mich an ihn ran, um doch noch ein Ründchen darauf zupacken auf meine 52 Kilometer. Meine Entschlossenheit ermöglichte es mir tatsächlich diese 400 Meter in zwei Minuten (5:00min/km) zu schaffen. Die verbleibenden 20 Sekunden nutzte ich dann einfach, um so nah wie möglich am Bierstand zum Stehen zu kommen.

Dann waren die sechs Stunden geschafft. Ich ließ mir ein Bier öffnen und war einfach erstmal dankbar für die Gestaltung der letzten anderthalb Stunden. Dankbar für die Unterstützung der anderen Läufer – besonders Julia, Mike und Dorothee auf der Strecke. Danke an Volkmar und Katharina für die Unterstützung bei der Versorgung sowie an das ganze Team des Lauftreffs Lausitz. Die Durchführung war vorbildlich. Bis auf die nicht immer rhythmische Musik fehlte es mir als Läufer an nichts. Die erreichten 52,489 Kilometer sicherten mir den insgesamt 15. Platz von 25 Teilnehmern. Es war ein unvergessliches Lauferlebnis nach mehr als drei Monaten Zwangspause an einem außergewöhnlichen Veranstaltungsort. Der Name Friedrich-Ludwig-Jahn-Stadion scheint für mich nicht nur in Hoyerswerda für schöne Lauferfahrungen zu stehen. Nach diesen Ausführungen komme ich zu der Einsicht, dass ich mit dem Ergebnis zufrieden sein kann, wenn ich darauf schaue, wie es zustande gekommen ist.

Julia ist mit 67,236 Kilometer erste Frau geworden und Gesamtdritter. Dorothee schaffte immerhin 51,3 Kilometer und den zweiten Platz bei den Frauen. Mike Hausdorf hatte es mit 62,524 Kilometer auf den achten Gesamtplatz geschafft. Katharina Noll erreichte mit 02:01:49 Stunden Platz sechs der Frauen und den achten Gesamtplatz von 18 Halbmarathon-Teilnehmern. Allen 48 Startern herzlichen Glückwunsch zu ihren Leistungen. Alle Ergebnislisten auch mit den Rundenzeiten gibt es hier.

Ladies in yellow
12. Mauerwegläufer (Titelbild)

Fazit

Ich hatte das große Glück nach drei Monaten an dem ersten Ultra-Wettkampf teilnehmen zu dürfen. Ich habe die erste Chance ergriffen, mit mehr als nur fünf anderen Menschen die Leidenschaft des Laufens nicht nur sechs Stunden auf der Bahn zu teilen. Es war eine großartige Freude mit Vereinsmitgliedern, bekannten und erstmalig getroffenen Läufern das Event erleben zu dürfen. Die gegenseitige Rücksichtnahme und Unterstützung auf und neben der Laufbahn waren einfach wunderbar.

Die Organisation des Veranstalters Lauftreff Lausitz war perfekt in Betracht der Einschränkungen und ließ keine Läufer-Wünsche offen. Dieses Konzept sollte als Vorlage weitere Wettkämpfe genommen werden.

Aus persönlicher Leistungssicht war die Vorbereitung für eine Top-Leistung zu kurzfristig. Für die notwendige Tempo fehlte einfach das abgestimmte Training darauf. Die Gewissheit sechs Stunden fast ununterbrochen laufen zu können, ist doch ein gutes Zeichen meines Leistungsstandes.

Die Lehren dieses Laufes sind vielfältig. Während eines Wettkampfes können unvorhergesehene Ereignisse eintreten. Meine Einstellung mit diesen angemessen umzugehen und zu reagieren ist vorhanden. Zuerst habe ich akzeptiert, dass mein ursprüngliches Distanzziel nach drei Stunden nicht mehr zu erreichen war. Dann habe ich mir neue erreichbare Meilensteine überlegt, die ich nacheinander bewältigen wollte: Erstens die Lauffreude wiederzuerlangen. Zweitens einen angenehmen Laufrhythmus zu finden, wenn auch mit geringerem Tempo als bisher. Drittens bis zum Schlusspfiff weiterzulaufen ohne Distanzziel. Als ich das erreicht hatte, setzte ich mir schrittweise neue Distanzziele.

Ich war unbewusst auf eine Krise vorbereitet und konnte diese bewältigen. Ein zweites Paar Laufschuhe sollte immer dabei sein bei Stundenläufen. Für mich ist es wichtig, dem eigenen Rhythmus zu folgen. Dieses Mal haben äußere Umstände mir das erschwert. Beim nächsten Mal werde ich – vielleicht von Anfang – eigene Musik hören, wenn es der Veranstalter zulässt. Während der Krise ist das Festhalten an einem Plan kontraproduktiv. Ich bin in der Lage mittlerweile von zahlreichen Erfahrungen zurückgreifen zu können und mit Besonnenheit allein UND äußerer Unterstützung das Wichtigste zu erreichen: Den Spaß am Laufen. So denke ich sehr gerne an die letzten anderthalb Stunden, als ich dieses Gefühl erleben konnte.

Text: Matze Weiser
Bilder: Matze Weiser, Katharina Noll, Mike Hausdorf und Dorothee Serries

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