Totales Chaos und zwei Panikattacken, noch bevor es losgeht, und am Ende des Rennens eine Gratulation von Jan Frodeno: Über mangelnde Spannung konnte sich LGM-Mitglied Norbert Möhr wahrlich nicht beklagen, als er am 9. Juli 2017 nach langer Vorbereitung endlich seinen Traum von einer Teilnahme beim Triathlon in Roth wahrmachen konnte. Hier sein Bericht über 3,8 Kilometer Schwimmen, 180 Kilometer Rad, den abschließenden Marathon – und das ganze Drumherum:

„`Der längste Tag des Jahres´- heißt es immer, und der wurde es auch für mich. Aufstehen um 3.30 Uhr, Frühstück & Co, ab ins Auto, um zum Shuttlebus nach Roth zu fahren. Nach 200 Metern Autofahrt meine erste Panikattacke: Habe ich meinen Chip eingepackt? Ich springe aus dem Auto und krame hektisch in meinen Beuteln. Puh, da ist der Chip. Weiter geht´s.

Andrea setzt mich am Shuttlebus ab und fährt dann zum verabredeten Parkplatz. Denke ich. Das Handy habe ich im Auto gelassen, in dem Glauben, ich würde es nicht brauchen. Nur am Rande sei erwähnt, dass Andrea den Parkplatz nicht mehr wiederfand und das war am Ende mein Glück. Denn, bei der Suche nach dem Chip hatte ich die Startnummer aus dem Beutel genommen und im Auto verteilt. Im Shuttlebus bemerkte ich das und manövrierte mich direkt in die zweite Panikattacke des Tages, dabei war es gerade mal 5 Uhr. Ich stieg wieder aus dem Bus, draußen wurde ich gefragt, ob ich es mir anders überlegt hätte. Mir ging durch den Kopf, sollte die ganze Vorbereitung ein 3/4 Jahr umsonst gewesen sein?

Schon vor dem Start mit 200er-Puls durch Roth
Ich rannte mit meinen zwei Beuteln ca. zwei Kilometer in Richtung des verabredeten Parkplatzes. Ein Handy hatte ich ja nicht dabei. Aber unser Auto war nicht da. Hat Andrea bemerkt, dass meine Startnummer im Auto liegt? Ist Andrea schon mit dem Rennrad zum ca. 10 km entfernten Schwimmstart gefahren? Ich rannte mit gefühltem Puls von 200 durch Roth und plötzlich sah ich sie: Andrea auf dem Rad auf dem Weg zum Start.

Das war jetzt ein Sechser mit Zusatzzahl im Lotto, wie geht denn so ein Zufall? Nur 30 Sekunden früher oder später hätten wir uns nicht getroffen. Und das Allerbeste: Sie hatte die Startnummer dabei.
Andrea fuhr jetzt mit dem Rad zum Start. Ich sah zwei Franzosen, die per Anhalter nach Hiltpoltstein wollten.

Wir hatten Glück, uns nahmen zwei Triathleten aus Hannover mit. Puh, das ging nochmal gut. Was erwartet mich heute noch? Kat, die als Begleitung von Kay mit in die Wechselzone durfte, beruhigte mich vor dem Schwimmstart. Wir waren in der letzten Startgruppe.

Gutes Gefühl nach Smalltalk mit Jan Frodeno
Ich hatte noch kurz einen Smalltalk mit Jan Frodeno, jetzt hatte ich ein gutes Gefühl für den Wettkampf.
Um vor 7:55 Uhr ging es endlich mit einem Donnerschlag los auf die 3,8 km im Kanal. Ich kam gut ins Rennen, schwamm meinen Stiefel und dazu gehört das weiträumige Verlassen der Ideallinie. Mit einer wirklich guten Schwimmzeit verlasse ich den Kanal, werde sogar angesagt und sehe kurz Andrea. In einer für mich fantastisch kurzen Wechselzeit gehe ich aufs Rad. Nach 30 Kilometern bekam ich Magengrummeln. Das Grummeln wurde so schlimm, dass ich Dixi-Pausen einlegen musste. Das Team Kay mit Anja und Steffi stand bei 55 Kilometern und teilte mir mit, dass irgendetwas mit Kay ist.

Mann, ist das hügelig hier, der erste Anstieg, der Kalavarienberg, der Solarer Berg (Stimmung und Enge wie bei der Tour de France ) und noch mehr Hügel. Das hatte ich nicht erwartet. Die zweite Runde, ich weiß, was kommt, ich könnte mir jetzt Schöneres vorstellen. Diese Runde läuft ohne Vorkommnisse und ich rolle Richtung Wechselzone nach Roth. Nach kurzer Zeit im Wechselzelt geht’s auf die Marathondistanz.

In Roth und Umgebung steppt der Bär, die Stimmung ist phantastisch. Hier lebt man den Triathlon. Kat steht am Beginn der Laufstrecke und schreit mich an („Los geht´s! Das lässt du dir nicht mehr nehmen!“), die Cutoffzeit drückt, keine Zeit um auszuruhen. Der Beginn auf der​ Laufstrecke ist immer schwierig, aber ich komme gut ins Laufen. Ich kann nichts mehr essen. Bei Kilometer 12 übergebe mich, das nehmen aber meine Mädels an der Strecke nicht ernst. Die Sonne meinte es gut mit uns, 32 Grad.

Nicht gelaufene lange Läufe rächen sich
Die neue Laufstrecke ist stimmungsvoller, aber auch anspruchsvoller. Ich erfahre, dass Kay gestürzt ist. Das ist so schade. Wir wollten so gerne das Ding zusammen rocken. Das Laufen fällt mir nach Kilometer 23 schwerer, jetzt rächen sich die nicht gelaufenen langen​ Läufe.  Aber ich beiße mich durch, trotz wiederkehrender Magenprobleme. Ich nehme nur noch Brühe, Cola und Wasser zu mir.

Kat motiviert mich, Steffi steht unermüdlich an der Strecke, wie auch meine liebe Frau Andrea. Jetzt weiß ich, dass ich es mir nicht mehr nehmen lasse. Es regnet kurz, wie erfrischend, und danach wird es wieder schwül. So langsam wird es dunkel. Ich fresse Kilometer um Kilometer. Bei Kilometer 40 wartet Andrea und läuft mit mir bis kurz vor dem Ziel, auch Kat begleitet mich noch ein Stück. Zieleinlauf, der rote Teppich. Es war so emotional, im Dunklen noch mal um einiges besser als im Hellen. Da lohnt sich das spätere Finish. Ich sehe mich auf der Videoleinwand. Die Finisherarea bebt, was für eine fantastische Stimmung und Lichtshow. Ich bekomme Gänsehaut. Im Ziel überreicht mir Daniela Ryf, die Siegerin bei den Frauen, die Finishermedaille, was für ein Moment. Jetzt lasse ich den Emotionen freien Lauf und die Freudentränen rollen.

Jubel von den Mädels, Lob vom Olympiasieger
Kurz darauf reicht mir Jan Frodeno die Hand und sagt: „Ich habe dir doch heute früh gesagt, du rockst Roth.“ Die Mädels kommen dann noch zum Ziel, bejubeln mich. Das Feuerwerk beginnt um 23 Uhr, es ist wunderschön. Jetzt überschlagen sich sich die Gefühle und durch den Kopf geht die Vorbereitung auf Roth und die Erlebnisse der letzten Stunden.

Andrea ist nicht da, sie durfte mit dem Rad nicht in das Areal und sucht mich jetzt auf dem Riesengelände. Auch ein Zufall, dass wir uns da zwischen den Massen getroffen haben (auch ohne Telefon). Was für ein Tag, der so schön endete und so holprig begann.

Ich danke Kat, Andrea, Steffi sowie Anja für die Betreuung und Motivationen an der Strecke.

Kay wünsche ich eine gute Verarbeitung der Geschehnisse und bis bald mal wieder auf irgend einer Triathlonstrecke.

Ich habe heute im Triathlon-Mekka in Roth gelernt, es zählt nicht immer die Zeit, sondern das Ankommen.“

Text: Norbert Möhr
Fotos: Norbert Möhr, Kat Schehning

 

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