Hochmut kommt vor dem Fall, oder – wie es in diesem Fall heißen müsste – vor dem DNF, musste Thomas Müller feststellen, als er Anfang Juli den Kölnpfad (171 Kilometer) nach 115 Kilometern abbrechen musste, weil er ihn überambitioniert und viel zu schnell angegangen war. Mit „weniger Druck, mehr genießen“ gelang es ihm dann nur zwei Wochen später beim Zehdenicker 29-Stunden-Lauf die lang ersehnten 100 Meilen zu knacken – und auch die 171 Kilometer vom Kölnpfad zu überbieten. Hier sein Bericht vom vergangenen Wochenende:

„Nach meinem DNF beim Kölnpfadlauf hatte ich mich entschieden, so schnell wie möglich „eine Korrektur anzubringen“, wie Eurosport Radsportexperte Jean Claude Leclercq es ausdrücken würde. Meine Regenerationszeit von 14 Tagen war zwar sehr kurz bemessen, aber auf der anderen Seite war ich in guter Verfassung, sonst wäre ich bei der Ansammlung dummer Fehler, die ich beim Kölnpfad gemacht habe, gar keine 115 Kilometer weit gekommen.

Der 29-Stunden-Lauf von Zehdenick war ideal, preiswert vom Startgeld, relativ nahe von der Anfahrt und 29 Stunden sollten ausreichen, um nach zwei vergeblichen Anläufen endlich die 100 Meilen zu knacken. In der Startliste fanden sich viele Läufer/innen, die auch bei den 100 Meilen von Berlin gelistet waren und den Lauf als Vorbereitung nutzten. Ich war etwas verspätet am Start, was mir aber zupass kam, schließlich wollte ich den Kardinalfehler des Kölnpadlaufs, das zu schnelle Neginnen und in Konkurrenz laufen, von vornherein unterbinden.

Taktik: Flowzustand halten!
Es war ein Rundkurs von 1,2 Kilometern zu bewältigen, der zehn Höhenmeter beinhaltete. Als ich startete, hatten die schnellsten Läufer bereits vier Runden absolviert und damit war für mich jeder Druck genommen.

Die wichtigste Lehre, die ich aus dem Kölnpfadlauf mitgenommen habe, ist, dass jedes Konkurrieren mit meinen Mitläufern zu einem frühen Zeitpunkt des Laufes mir jede Achtsamkeit für mich und die Bedürfnisse meines Körpers nimmt. Meine Taktik bei diesem Lauf war daher, den Flowzustand, den ich beim Laufen in gutem Trainingszustand sehr schnell erreiche, bewusst zu brechen und darauf zu achten, bereits frühzeitig mit dem Essen zu beginnen, was ich in meinem Anfangstemporausch beim Kölnpfad vernachlässigt hatte.

Also nahm ich mir jedes Mal nach sechs bis sieben Runden einen Teller Nudeln und aß sie, während ich eine Runde wanderte. „Nudel 2 go“, gewissermaßen.

Und die Taktik ging auf , ich lief ohne Not und ohne Bedrängnis und konnte die Atmosphäre des Laufes genießen.

Der 29-Stunden-Lauf in Zehdenick ist eine Veranstaltung der Stadt Zehdenick, und mein Eindruck ist, dass dort Vorbildliches geleistet wird, um die Bevölkerung in  Bewegung zu bekommen. Es finden Kinderläufe, ein Fußballturnier, ein Drachenbootrennen und bestimmt noch einiges mehr statt, was mir verborgen geblieben ist. Und es sind viele Kinder-und Schülerstaffeln am Start, so passiert es schon einmal, dass man ein kleines Kind an der Hand hat, das einem erklärt, dass es noch ganz klein sei und nicht wisse, wo entlang der Weg geht.

Lauf mit den Vereinskameraden
So lief ich Runde um Runde plauderte mit diesem und jenem Mitläufer, insbesondere mit den LGM- Vereinskameraden Steffen Sens und Arne André Funke, aß dann regelmäßig wieder meinen Teller Nudeln. Irgendwann im Laufe des Abends lief ein Läufer auf mich auf, der mich fragte, ob ich Steffen sei.

Es stellte sich heraus, dass es sich um den Vorjahressieger Thomas Paschy handelte, und desweiteren stellte sich heraus, dass Steffen zu diesem Zeitpunkt wohl Erster war, Thomas Paschy Zweiter und ich an dritter Stelle lief.  Welch angenehme Überraschung.

Leider macht sich aber damit in mir auch wieder das Gift des Konkurrierens in mir breit, was mir beinahe das Genick gebrochen hätte .

Zum Abschluss der 90. Runde zog ich nochmal deutlich mit dem Tempo an, überholte Thomas Paschy, der das mit den Worten quittierte: „Bist Du in den Zaubertrank gefallen?“ Dieser Zwischenspurt wurde von meinem Körper mit schlagartiger Übelkeit  kommentiert und ich war ebenso schlagartig an dem Punkt, an dem ich beim Mauerweglauf 2015 und beim Kölnpfadlauf  war…

Aussteigen? Diesmal nicht!
Auch kilometermäßig war ich etwa da, wo ich sonst ausgestiegen war.  Aber diesmal nicht. Ich machte Pause, ich bekam wieder das Frösteln, wie beim Alpen X 100 und beim Kölnpfad.

Was tun? Essen, ging nicht – Übelkeit.

Ich versuchte mein Glück mit einer Dusche. Als ich in der Umkleide war und unter großem Gejammer meine Kompressionsstrümpfe von den Beinen pellte, macht eine Stimme auf sich aufmerksam.   Es lag noch jemand auf einer Massagebank im Umkleideraum gegenüber, der versuchte, Ruhe zu finden.

Ich musste aber duschen, die Duschen waren warm und angenehm und das Frösteln in mir verschwand.

Nach der Dusche legte ich mich noch eine Weile auf die Bank und siehe da, es funktionierte. Frisch geduscht in frischen Sachen konnte ich weitermachen, ich konnte zwar nicht mehr komplett die Runde durchlaufen, aber das Bergabstück lief ich noch. Mittlerweile hatten sich auch die zehn Höhenmeter pro Runde summiert.

Immer noch auf dem 3. Platz!
Aber es ging weiter, es ging wirklich weiter und ich hatte meinen dritten Platz trotz der Pause behalten und wollte ihn auch nicht mehr hergeben.

Die Nacht war kurz, es wurde früh hell, Ultraläuferin Gritta Sens war mittlerweile auch da, ihr war kalt, sie hatte, ich weiß immer noch nicht wie, ihr Zelt unter Wasser gesetzt , lief aber tapfer durch die Nacht und zog gegen Morgen nochmal deutlich mit dem Tempo an.

Auch Rene Kloberdanz lief seit 5 Uhr morgens seinen persönlichen 10-Stunden-Lauf.

Ich hatte zwischenzeitlich noch ein Ziel, nämlich die 100 Meilen unter 24 Stunden zu schaffen, was mir aber nicht gelang. Der Kölnpfadlauf steckte mir dann doch  noch in den Beinen. Aber nochmal ein Zitat von Jean Claude Leclercq´: „Mit „hätte“, „wenn“ und „aber“ kann man jedes Ergebnis richten.“

So lief ich irgendwann begleitet von Arne André Funke meine 135. Runde und damit die hundert Meilen und hatte mein Hauptziel erreicht. Ein Nebenziel gab es noch, die 171 Kilometer vom Kölnpfad zu überbieten. Das schaffte ich dann noch mit Sonntagsspaziergangschritt, den mein Körper mir noch erlaubte.

Insgesamt war es für mich ein unvergessliches Mannschaftserlebnis , was sich letztlich nicht nur dadurch zeigte, dass wir mit Hilal Akus als Gesamtzweite bei den Frauen, Steffen Sens als Gesamtzweitem und meinem dritten Platz 50 Prozent der Podestplätze belegten.

Ich freute mich auch besonders, dass Jörn Künstner nach Zielschluss nochmal vorbeigekommen war.
Ich freue mich diesem Verein, der LG Mauerweg, anzugehören!“

Text und Fotos: Thomas Müller

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