Glücklich im Ziel: Die Mauerwegläuferin Martina Schliep mit Mauerwegläufer Gaston Prüfer. (Foto: centurionrunning.com)
Glücklich im Ziel: Die Mauerwegläuferin Martina Schliep mit Mauerwegläufer Gaston Prüfer. (Foto: centurionrunning.com)

Kürzlich lief das Mauerwegläufertrio Martina Schliep, Gaston Prüfer und Andreas Deák beim Thames Path 100. Während Mauerwegläufer Andreas knapp 30 Kilometer vor dem Ziel des 100 Meilen-Rennens am Themseufer aufgeben musste, erreichten Martina und Gaston das Ziel. Martina schildert für unsere Website die Vorbereitungen und das Rennen aus ihrer Sicht.

Von Martina Schliep

Gaston und ich sind nach 22:51 Stunden mit Platz 61 und 62 von 300 Startern ins Ziel gekommen. Damit haben wir uns den Day-Buckle erlaufen, die Gürtelschnalle als spezielle Auszeichnung für alle, die das Rennen in weniger als 24 Stunden schaffen. Das war für uns kein Kinderspiel. Erst recht nicht, weil wir nicht unter den besten Voraussetzungen gestartet waren.

Ende Dezember zog ich mir meinen Mittelfußbruch zu. Nach acht Wochen Sportpause konnte ich langsam wieder anfangen zu laufen. Somit war nicht viel Zeit zum Trainieren. Ostern war dann die letzte lange Trainingseinheit – wir sind einmal um die Müritz gelaufen. Leider gab es nun wieder eine Zwangspause: Ich bekam eine Erkältung, die sich leider länger hielt. Ich durfte nur nicht Gaston anstecken. Das haben wir auch gut hinbekommen. Dennoch hatte es auch Gaston drei Tage vor dem Thames Path 100 (TP 100) erwischt.

Trotzdem flogen wir nach London, ohne zu wissen ob wir überhaupt starten können. Samstag früh dann die Entscheidung: Wir starten und versuchen es trotz Angeschlagenheit. Für Londoner Verhältnisse hatten wir das beste Wetter. Die Sonne schien, es war windstill und Regen war auch nicht angesagt. Bei der Strecke haben wir uns jedoch total verschätzt. Am Anfang war alles noch recht gut zu laufen und wir konnten die wunderschöne Landschaft genießen – die Wiesen sattgrün und gepflegt, dazu kleine süße Häuser. Es herrschten Ordnung und Sauberkeit. Das ist unglaublich. Die Menschen waren sehr liebevoll und hilfsbereit. Irgendwie wirkte alles klein und familiär. Jedoch, je länger der Lauf wurde, um so schwerer wurde die Strecke. Das lag nicht daran, dass wir kaputt waren – nein, der Untergrund wurde immer schlammiger und die Laufpfade so schmal, dass mein Hoka-Schuh nicht mal in die Spur passte. Ein gerader Fußaufsatz war nicht möglich.

Die Herausfordergung: 100 Gatter

Und dann sind da noch diese Gatter: Ja, wir wussten, dass es sie gibt. Aber das waren gefühlte 100 Gatter. Also 100 Mal anhalten, Gatter-Verschluss öffnen, einer rein, Gatter zu und dann wieder raus aus dem Gatter. Oh Mann! Immer wieder anhalten. Das kostete viel Kraft. Zur Abwechslung gab‘s noch viele steile Minibrücken und Stufen. Und zu guter Letzt waren die Wiesen eher Acker, sehr hügelig und huppelig. Und sie standen oft unter Wasser. Dieser schwierige Untergrund machten es noch schwieriger in der Nacht zu laufen, zumal wir zu dieser Zeit eh schon körperlich gut gefordert waren. Unsere Körper funktionierten einfach nur noch, und wir liefen ohne an anderes zu denken mit voller Konzentration auf den Untergrund und die Strecke, immer die Furcht im Nacken sich zu verlaufen.

Die Nacht war sehr kalt, um die 3° C. Wegen der sehr unebenen Strecke mussten wir oft gehen. Dabei kühlten wir noch schneller aus, somit mussten wir so oft es ging immer wieder laufen. Es war ein Wechsel aus Gehen und Laufen. Zum Glück waren die Versorgungspunkte nachts ab und zu im Warmen. Das war eine Wohltat. Schön war, dass wir auf der Strecke immer wieder Ricarda und Jens trafen, kurzes Gespräch und dann ging es weiter.

Unheimlich – im Laufschritt durch die Nacht

In der Dunkelheit gab es aber auch ganz andere Überraschungen: Wir liefen mitten durch eine schlafende Herde von Kühen, durch hügelige Waldstücke sowie sehr enge Häusergänge und über einen Friedhof. Der war irgendwie gruselig. Wir sammelten auch Erfahrung in der Nachtorientierung. Es war nicht einfach, wenn wir mitten auf einer Wiese ohne Wege standen. Unser GPS-Gerät war unsere Rettung und herumirrende Mitläufer waren ebenfalls froh, wenn wir mit dem GPS auftauchten. Denn so, wie sich einige nachts mit einer Karte orientierten, war es noch viel schwerer nicht vom Kurs abzukommen.

Für eine weitere Überraschung sorgte unsere Beleuchtung. Normalerweise hält sie doch sonst fünf bis sechs Stunden mit frischen Batterien. Auf einmal leuchtete Gastons Stirnlampe nur noch schwach, und das nach gerade mal drei Stunden. Warum dies passierte? Keine Ahnung. Entweder war es die Temperatur oder die Batterien waren defekt. Wir hatten noch einen Ersatz-Akku und zum Glück hielt meine Lampe, bis es hell wurde. Durch die vielen Gehpausen waren wir sehr lange auf den Beinen und hatten zwischendurch auch daran gezweifelt, ob wir den Day-Buckle überhaupt noch schaffen oder eventuell gar nicht das Ziel erreichen. Kurz vor Sonnenaufgang kam dann auch noch Nebel dazu. Die gefühlte Temperatur war nun noch kälter und wir liefen und liefen. Und der lang ersehnte Verpflegungspunkt kam und kam nicht in Sicht. Tatsächlich erreichten wir ihn gut zwei Kilometer weiter an der Strecke als er geplant war. Dies war ganz schön nervenzerrend. Danach wurde es endlich hell.

Letzte Kräfte und Motivation für den Day-Buckle

Der schwere Untergrund blieb uns aber erhalten. Einen Vorteil hatten diese ganzen Erlebnisse: Wir sind nicht müde geworden. Wir waren nur generell erschöpft. Wir wollten nur noch endlich im Ziel sein. Morgens so gegen 6:00 Uhr fing ich an zu rechnen, ob wir den Day-Buckle noch schaffen können und mir wurde klar, die langen Pausen an den Verpflegungspunkten können wir uns nicht mehr erlauben. Dafür war unsere Zeit zu knapp und wer weiß, was an Schwierigkeiten noch auf uns zu kommt. Das versuchte ich vorsichtig Gaston zu erklären und übte noch ein wenig Druck aus, versuchte aber auch, ihn zu motivieren. Ich wusste doch, dass Gaston den Day-Buckle soooo gerne bei seinem ersten 100-Meilen-Lauf haben wollte.

Und da war das nächste Problem: Wir mussten geplatzte Blasen am Fuß notdürftig behandeln bevor es weiter ging. Doch dann war ich auf einmal total hungrig. Ich hatte schon seit gut 30 Kilometern nichts mehr gegessen, einfach vergessen und weil ich zufrieden war, dass der Magen nicht krampft. Aber nun war er da, der Hunger da. Der Magen knurrte. Ich habe mich die letzten 15 Kilometer mit einem isotonischem Getränk gerettet. Die Morgensonne gab nun doch schon etwas Wärme. Das war sehr angenehm.

In Oxford an der Themse war auch wieder Leben. Da waren Leute zu sehen und auf der Themse waren Ruderer unterwegs. Das alles lenkte ab und auf einmal entdeckten wir das Ziel. Was für ein Hochgefühl! Welche Freude! Gaston nahm von meinem Rucksack die Vereins- sowie Deutschland-Fahne und wir liefen damit gemeinsam ins Ziel. Was für ein bewegender schöner Moment! Es ist unbeschreiblich, dieses mit dem Partner gemeinsam zu erleben. Unter dem Zielbanner nahmen wir uns in die Arme und küssten uns. Die Stimmung dort war irre, alle klatschten und jubelten. Die Hauptorganisatorin nahm uns in den Arm, gratulierte herzlich und übergab uns den One-Day-Buckle. Ach, waren wir glücklich darüber! Wir hatten es geschafft.

Die Organisation vom Veranstalter Centurion Running war Spitze! Alle Helfer waren einfach klasse, sehr aufmerksam und fürsorglich zu uns Läufern. Nach dem Duschen genossen wir im Ziel auf der Wiese noch Stunden lang die Sonne und die Stimmung mit den übrigen Finishern, Zuschauern und Organisatoren. Wir jubelten immer wieder den ins Ziel Kommenden zu. Es war eine tolle Stimmung. Das Einzige, was unsere Stimmung ein wenig drückte, war, dass es Andreas nicht wegen des Cut-Off geschafft hatte. Seine Leistung bis km 139 ist dennoch absolut klasse. Ganz sicher wäre er angekommen – nur eben nicht innerhalb des Zeitlimits von 28 Stunden. Das ist hart und macht uns zurecht traurig. Aber Andreas ist damit gut umgegangen. Alles in allem war es ein harter, aber dennoch toller Wettkampf. Aber einmal reicht … Denn nun liegen im August 100MeilenBerlin vor uns.

 

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