Sollte sich das etwa als prophetisch erweisen? Bei Kilometer dreieinhalb spielte die erste Band laut auf, und was spielten sie? Den Dschungelbuchklassiker: „Probier´s mal mit Gemütlichkeit!“ Frechheit. Sooo langsam sind wir ja nun auch wieder nicht.

Im Gegenteil, beim Jubiläumsmarathon in Hamburg – es war der 30. in der Hansestadt – fielen reihenweise Bestzeiten der Berliner Mauerwegläufer.

Startklar und noch ganz trocken: Die Mauerwegläufer vor dem Start in Hamburg.
Startklar und noch ganz trocken: Die Mauerwegläufer vor dem Start in Hamburg.

Bei Jens Noack zum Beispiel, der seine Zeit vom Berlin-Marathon 2014 um mehr als 20 Minuten auf 4:38:01 verbessern konnte und bei Sebastian Heidfeld, der mit 4:32:53 „und einem fetten Grinsen“ ins Ziel lief, weil er seine Bestzeit vom Hamburg Marathon 2014 um acht Minuten unterboten hatte. Die Autorin konnte ihre Bestzeit ebenfalls um rund zwei Minuten auf 4:19:16 verbessern und Volkan „Toni“ Alpsoy war mit seinen 3:27:49 nicht nur happy, sondern auch der schnellste aller elf in Hamburg gestarteten Mauerwegläufer.

Andere als Thomas Meier, besser bekannt als Velo Tom, Jörn Künstner und Marco Fekete planten nur einen „gemütlichen Trainingslauf“ mit dem Ziel von vier Stunden ein, das sie auch passgenau erreichten. Das gelang ihnen mit einem ultralangsamen Loslaufen, dessen Tempo sukzessive gesteigert wurde. „Jetzt rollen wir das Feld von hinten auf, das macht mehr Spaß!“ rief Tom mir vergnügt zu, als das Lauf-Triumvirat mich etwa bei Kilometer 12 überholte und ich ihr Gelb bald nur noch von hinten sah. Jaja, gemütlicher Trainingslauf, seufz.

Das Feld von hinten aufrollen: Die Taktik von Tom, Jörn und Marco, die die Autorin denn auch bald nur noch von hinten sah...
Das Feld von hinten aufrollen: Das war die Taktik von Jörn, Tom und Marco. Auch die Autorin sah sie bald nur noch als kleine gelbe Punkte am Laufhorinzont verschwinden…

Die guten Ergebnisse der Mauerwegläufer waren sicher zum Teil dem hervorragenden Hamburger Publikum geschuldet, das sich alles andere als hanseatisch zurückhaltend zeigte und gerade an bestimmten Streckenpunkten wie den Landungsbrücken geradezu frenetisch den Läufern zujubelte. Wo sonst – außer vielleicht in New York – wird man schon dauernd mit dem eigenen Namen angefeuert? Und gefühlt jedes zweite Kind streckte die Hand aus, um sich abklatschen zu lassen.

Das Wetter tat ein Übriges, die Läufer schnell Richtung Ziel zu treiben. Zum einen waren die Temperaturen mit um die 15 Grad laufoptimal – zum anderen gingen drei Stunden nach dem Startschuss die Schleusen am Himmel dermaßen weit auf, dass wir völlig durchweichten und die Trockenheit in den Messehallen herbeisehnten. Naja, also ich jedenfalls. Die Zuschauer allerdings zeigten sich erstaunlich wetterfest: Es gießt in Strömen? Egal! Regenschirm auspacken und weiterjubeln. Kein Regenschirm dabei? Egal! Noch stärker jubeln, dann merkt man die Nässe nicht so. Manche hatten allerdings auch in weiser Voraussicht ein Zeltdach im Garten aufgebaut …

Bleibt festzustellen: Hamburg ist ein echtes Erlebnis und nicht ohne Grund gibt es auch unter den Mauerwegläufern viele Wiederholungstäter. Der eine oder andere ist sicher auch 2016 dabei, wenn es wieder heißt: „Hummel Hummel!“ – „Mors Mors!“

(Text und Fotos: Sonja Schmitt)