Er läuft seit fünf Jahren Ultra, nun startete LGM-Läufer Matze Weiser in Rodgau beim 50-km-Lauf. Mit der Startnummer 555 war das Ziel klar: Zielzeit unter 5 Stunden! Hier sein Bericht:

„Seit nun fünf Jahre darf ich mich Ultramarathon-Läufer nennen, seit ich Ende Januar 2015 in Rodgau erstmals 50 km am Stück gelaufen war. Für mich ist dies zurückblickend ein einschneidendes Ereignis gewesen. Beim Laufen – auch gerade über die langen Strecken – bin ich für die Zielerreichung fast ausschließlich selbst verantwortlich. Dankeschön an alle damaligen Begleiter, die mich für Rodgau begeistert haben. Der Lauf selbst mit Organisation, Flair und Streckenführung mit den 5km-Runden hat es mir so angetan, dass ich in beiden Folgejahren ebenfalls dort gestartet bin und durch meine Begeisterung vielleicht etwas Rodgau-Fieber verbreitet habe. Beim letzten Start 2017 hatte ich sogar das Glück durch die persönliche Begleitung von Mark Fietkau auf der gesamten Strecke eine Zeit von 4:59:21h zu schaffen. Ein Meilenstein war erreicht und nach drei grandiosen Rodgau-Erlebnissen konnte diesen Lauf in guter Erinnerung zu behalten.

So weit, so gut. Mit einer Anmeldung für den diesjährigen 100-Meilen-Lauf kann sich viel ändern. So zum Beispiel die Gestaltung des Trainings mit langen Läufen. Den ersten über 25 km absolvierte ich beim XXL-Lauftreff meines Vereins Ende November u. a. mit Valerio Lorrai. Er erzählte mir von seinem Finish über die 50 km in Schwäbisch Gmünd und seinem nächsten Start über die gleiche Distanz 2020 in – na klar – Rodgau! Ich konnte ihm von meinen Erlebnissen erzählen und kam wohl unbewusst etwas ins Schwärmen. Bis zum Ende des Lauftreffs hatten wir eine gemeinsame Fahrt in die Rhein-Main-Region beschlossen.

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Rodgau als Wiedereinstieg
Wieder wollte ich die 50 km in Rodgau zu laufen, dieses Mal nicht als Premiere, sondern als Wiedereinstieg nach 18 Monaten teilweiser unfreiwilliger Ultramarathon-Pause. Als zusätzliches Schmankerl bot sich auch die Gelegenheit ein Jubiläum dort zu feiern, wo alles begann. Ich übernahm die  Hotelorganisation, Valerio stellte das Auto. Jetzt musste nur trainiert werden für die 50!

Um überhaupt ein Gefühl für die anstehende Belastung zu bekommen, nutzte ich Ende des Jahres einen der vier Läufe der Speck-weg-Serie, um anhand eines Marathons meine Grundlage zu testen und gleichzeitig zu verbessern bzw. in mich hineinhorchen zu können. Mit Gehpausen an allen Anstiegen und einem Durchschnittstempo um die 7:30 min/km gelang die Standortbestimmung. Ich bin, glaube ich, noch nie so entspannt einen Marathon gelaufen und die Nachwirkungen hielten sich in Grenzen. Zwei Wochen später bot sich in Berlin erneut die Gelegenheit in meinem eigenen Tempo einen langen Lauf zu absolvieren. Nach Rücksprache mit dem Trainer Harald Reiff beging ich den 6-

Stunden-Lauf mit Pulskontrolle. Tatsächlich konnte ich fast 32 km mit 82 % max. Herzfrequenz im niedrigen 6er-Tempo gestalten. Dann wurde es anstrengend bis zur Marathon-Marke. Die letzte 5km-Runde bin ich einfach gemeinsam mit meiner Freundin spaziert und konnte 47,7 km vorweisen. Ein gutes Omen für die 50 km.

Die Anreise von rund 555 km nach Rodgau verlief mit dem Auto staufrei am Freitag in knapp unter 5 Stunden problemlos. Anders als bei meinen bisherigen Besuchen in Hessen war ich am Vorabend kurz an der Strecken, um dem „Novizen“ Valerio alles zu zeigen. Langsam machte sich ein gewisses Krabbeln bei mir bemerkbar. Nach einer kleinen Pasty-Party mit den Mauerwegläufern Ludwig und Heiko konnte ich beruhigt schlafen.

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Wunschnummer 555
Im Hotel der drei vorherigen Aufenthalte habe ich vermeintlich wieder routiniert gefrühstückt und der Lauftag konnte beginnen. Meine Wunschnummer 555 bekam ich auch ausgehändigt. Ich hatte einfach gewartet, bis sich der 534. Teilnehmer (die ersten 20 Nummern werden vom Veranstalter vergeben) angemeldet hatte und habe dann blitzschnell zugeschlagen. Ich wollte bei dem fünfjährigen Jubiläum unbedingt eine Nummer mit einer 5 haben, aber 3 Fünfen sehen noch besser aus. Ein gutes Omen und zusammen dem am Freitag geschenkte meinem Talisman von Bine am rechten Handgelenk.

Mit Anja Kirchner, die erstmals das Abenteuer 50km-Lauf suchte, ging gemeinsam zum Startbereich. Dort wurde ich von Detlef Kley auf meine ausgelobten Biere angesprochen. „Nein, die gibt’s erst in der Turnhalle“, war meine Antwort. Mit Anja bin ich weiter, um die Sporttasche abzustellen mit meinen Wechselsachen und … Ein dumpfer Krach unterbrach unser Gespräch. Ich hatte achtlos meine Tasche auf den Steinboden fallen gelassen und völlig vergessen, dass ich am Vorabend zwei Flaschen Bier für direkt nach dem Lauf eingepackt hatte. Vorbei war es mit meiner Sorglosigkeit, als feuchte Flecken sichtbar wurden. Fast der gesamte Tascheninhalt war in den unfreiwilligen Genussvon alkoholfreiem Bier gekommen. Jetzt hieß es schnell handeln. Anja lieh mir aus ihrem Bestand einen Beutel und ich hatte nur wenig Zeit aus der Tasche Glasscherben und Bier zu kippen. Vielleicht trocknete einiges in den kommenden x Stunden.

Rennplan? Ankommen!
Und damit bin ich nun bei meinem Rennplan, der ich eigentlich nur im Ankommen bestand. Wieder mit Pulsgurt ausgerüstet, wollte ich dann doch wieder so lange wie möglich nur nach Herzfrequenz laufen, die Stimmung genießen und so wenig wie möglich vom Wind gestört werden, den ich in Erinnerung hatte. Persönliche Begleitung hatte ich keine, sondern war auf mich gestellt. 11 weitere Läufer vertraten mit mir die LG Mauerweg Berlin in Rodgau. Insgesamt 931 Läufer stellten sich „der Jagd“ (Zitat Streckensprecher), die kurz nach 10 Uhr begann. Schon auf den ersten Metern bekam ich Gespräche mit, von Vorhaben nur 4 oder 6 Runden zu laufen. Das hier war doch ein Zehn-Runden-Lauf und ich nahm die Unterhaltungen kommentarlos hin und konzentrierte mich auf mein Tempo.

Das lief sich gut an mit 5:55 min/km und 29:34 min für die ersten fünf Kilometer. Ich hatte mich einer Gruppe Bankangestellter (Ableitung aus deren Unterhaltung) angeschlossen und konnte gut mithalten ohne eine spürbare Anstrengung. Das blieb zwar auch nach der zweiten Runde (28:53 min) so, aber ich ließ sie danach ziehen, weil sie gefühlt schneller wurden. Bloß nicht überpacen wie 2016 und dann hinten raus baden gehen. Nach 15 km glich ich die angegeben Kilometer auf der Strecke mit meiner Uhr ab. Ich hatte mittlerweile 300 Meter Vorsprung, das heißt die Kilometer Durchgangszeiten halfen nicht wirklich mein Vorhaben unter 5 Stunden zu laufen adäquat zu kontrollieren. Ja es ist es raus, es war mein heimliches Ziel, unter meinen Rekord von 2017 bleiben. Dazu musste ein 6er Schnitt her und die Zwischenzeiten mussten immer durch 6 oder weniger Minuten teilbar sein. Beim Zieldurchlauf der vierten Runde erklärte der Sprecher mein persönliches Rundenstoppen den Zuschauern mit „Ja, viele Läufer sind auch Buchhalter“. Ja sicher ich rechne immer mit, 6 Minuten nach 1 km, 12 nach 2 km usw. So schaffte ich die ersten 20 km statt in 2 Stunden (120min = 6x20min) sondern in 1:57:12. Der Versuch, wesentlich langsamer zu laufen gelang bis einschließlich der sechsten Runde nicht. Die Runden absolvierte ich zwischen 28:44 und 29:13 Minuten. „Wahnsinn lieber Körper wie wir das hier mit Puls 150-165 oder 78-85% max. Herzfrequenz gemeinsam wuppen“, dachte ich mir.


Eine Delle nach oben hatte ich dann ungewollt bei 28 km. Ich merkte ein leichtes Verkrampfen im Laufstil, das einfach auf ein menschliches Bedürfnis zurückzuführen war und das trotz mehrmaliger Besuche vor dem Lauf auf gewissen Orten. Es war das Industrie-Rührei vom Frühstück, das mir wohl nicht so gut tat. Also Pobacken zusammenkneifen und es bis zum Rundenende zu den Dixies schaffen. Perfekt – die erste Tür geht auf und eine andere Läuferin verlässt das Örtchen. „Perfektes Timing“;, rief ich ihr zu. Ihre Antwort: „Da willst du nicht rauf“; und ich sah, dass wohl ein Läufer vorher nicht gut gezielt hatte. „Das ist mir doch egal!“ Ich wollte mein großes Problem schnell loswerden. Vorhandenes WC-Papier wird außerdem auch überbewertet. Na und sind ja nur noch 20 km. Ich wollte nur meinen Laufrhythmus nicht verlieren. Trotz Dixi-Mini-Boxen-Stopps schaffte die 7. Runde auch noch unter 30 Minuten und war damit imaginär nun 5:15 Minuten vor meiner Zeit. 15 km mit dem Puffer – das sollte doch was werden. Zumal ich versuchte, immer auf den freien Wegen ohne Baumschutz Windschatten zu nutzen. Aber Wind war eigentlich nicht da, aber für meinen Kopf ist hinterherlaufen irgendwie wichtig.

Rasseln am Wegesrand
Detlef Kley musste leider seinen Lauf frühzeitig abbrechen, konnte mich aber ab der 8. Runde immer wieder an der Strecke anfeuern. Eine Gruppe Schaulustiger – mit Rasseln bewaffnet – unterstützte alle Läufer ebenfalls mit vollem Elan. Das ist eben Rodgau, genau wie die Musik auf der Hälfte der Runde, und der Möglichkeit Entgegenkommende abzuklatschen und anzufeuern. Gleiches gilt für die unermüdlichen Helfer am Verpflegungspunkt, dem ich dieses Jahr kaum Zeit widmete. Jede Runde einen warmen Tee und jede zweite habe ich beim Salzigen und Banane zugegriffen und alles laufend aufgenommen. Es lief perfekt.

Die Kilometerzeiten klettern langsam etwas, ich merkte die bisherige intensive Performance, aber ich blieb guter Dinge. Die Oberschenkel wollten gerade am kleinen Anstieg nicht mehr so, wurden aber tatkräftig durch die Arme unterstützt. Das Tempo ging über deutlich 6min/km und die 8. Runde war dann auch mit knapp 31 Minuten etwas langsamer. Die Strecke leerte sich langsam aufgrund unfreiwilliger, aber bestimmt auch von den ankündigten vorsätzlichen Ausstiegen, so dass nicht mehr so viele Läufer für den Windschatten gab. Ich verlor erst eine Minute und während der neunten

Runde zwei weitere Minuten auf meine virtuelle Split-Zeit. Etwas Schonung oder wie Harald sagen würde „Kompensation“ war bestimmt dabei. Ich wollte es einfach schaffen und dafür alles in der letzten Runde noch in der Hand haben. Verpflegungspunkt-Stopp, fotografiert von Detlef, Musik hören vom 2. bis 3. Kilometer der Runde und weiter. „Die letzten 2?“, wurde ich von einem Mitläufer gefragt. „Du meinst Runden? Nein… Du meinst Kilometer … Ja! Na denn lass und uns die 5 Stunden knacken.“

Ja genau das hatte ich vor. Ich blieb an ihm dran, aber leider nur kurz. Der Körper wollte wohl noch den letzten Anstieg abwarten bisher er „Feuer frei gab“. Okay Geduld, das schaffen wir auch noch.

Neue Bestzeit begeistert
Vom Mike und Mandy konnte ich schon Glückwünsche auf der Strecke entgegennehmen, die runtergingen wie Öl. Ja ich hatte allein mein Vorhaben umsetzen können. Es gelangen viele Vorhaben heute, außer das Bier tragen und der eine ungewollte Boxen-Stopp. Überglücklich stoppte ich meine Uhr nach inoffiziell 4:58:09 Stunden. Es war vollbracht. Neue persönliche Bestzeit über 50km. Einfach genial. Die ersten Glückwünsche über die sozialen Medien gingen auch schon ein. Über die Internet-Seite des Zeitnehmers war ein Live-Tracking möglich. Das Grinsen wollte gar nicht mehr weichen. Zwar die Wechselklamotten immer noch nass. So entfiel das Umziehen und ich konnte das heilgebliebene Bier sofort konsumieren. Nach einem Zielfoto mit Detlef, galt es für mich schnell unter die heiße Dusche zu kommen.

Anschließend eilte ich schnell zum geselligen Teil in die Turnhalle. Ludwig (Gesamtdritter) und Heiko konnte ich dort zuerst treffen. Später konnte ich meine versprochenen Weizen auch mit den erstmaligen Rodgau-Ultramarathon-Finishern Anja Kirchner, Valerio, Sonja Kley sowie ihrem Detlef teilen. Ich glaube, ich hatte allein 5. Das ist wohl mehr als angemessen beim fünfjährigen Jubiläum mit der Startnummer 555 bei einem 50km-Lauf mit einer unter 5-Stunden-Zeit. Wir waren um 18:15 Uhr dann auch die letzten Gäste, die den Veranstaltungsort verließen. Dankeschön an alle Beteiligten. Insgesamt sind 10 Mauerwegläufer ins Ziel gekommen. Herzlichen Glückwunsch dazu.

Alle Ergebnisse sind hier nach zu lesen: https://my.raceresult.com/133421/?lang=de. Die Ergebnisse der LGM-Läufer findet ihr hier.

Dieses Mal stand auch nicht die unmittelbare Heimfahrt nach dem Lauf an. Den gemeinsamen Lauftag krönten Valerio und ich mit einem ausgiebigen Sauna-Besuch im Hotel. Mit einem waschechten italienischen Koch ist der Ristorante-Besuch dann auch der perfekte Abschluss eines grandiosen Laufausfluges nach Rodgau 2020. Es wird wahrscheinlich nicht der letzte Besuch sein.

Text: Matze Weiser
Fotos: Sonja & Detlef Kley

PS: Wer noch weiterlesen möchte: Auch LGM-Läufer Ludwig Reicherstorfer, der im Wettkampf einen grandiosen dritten Platz erreichte, hat einen Rodgau-Bericht verfasst.

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