Im Regen laufen ist das Eine. Gleich dreimal – aufgrund wechselnder Windrichtungen – dasselbe Gewitter abzubekommen ist eine noch deutlich speziellere Erfahrung. Trotzdem gelang unserem Autoren Patrick Roß und seinen Begleitern ein toller Ultralauf, auch wenn er nicht wie geplant dreistellig endete:

„Schon beim virtuellen Rennsteiglauf hatte Bernd den Wunsch geäußert; ruhig auch mal einen 100km-Lauf zu laufen, wenn schon keine Wettkämpfe stattfinden!? Seine Idee war es, den Tegeler-See zu umrunden, umzudrehen und dieselbe Strecke noch einmal in entgegengesetzter Richtung zu laufen. Stefan M. wünschte sich, seinen ersten Ultra zu laufen: „Irgendwas, länger als Marathon, … am besten 50 km… z.B. um den Tegeler-See…“ (Die Runde um den Tegeler-See kennen wir vom Vollmond-Marathon: 42 Kilometer).

Schwieriges Tüfteln an der Route
Wie bastelt man `ne Route,  mit diesen Wunsch-Vorgaben? (Im Übrigen kam zuletzt noch der Wunsch nach Fahrbarkeit der Strecke, wegen möglicher Radbegleitung hinzu)! Wenn wir – nach der Umrundung – Stefan zu seinem 50km-Lauf verhelfen und nach Hause begleiten würden, hätten wir bei ihm schon einmal einen VP, bei Kilometer 50. (Es wäre clever gewesen, dort einen Wechselpunkt einzurichten, aber dazu später…). Wir hätten 50 Kilometer schon einmal in der Tasche und könnten in eine andere 50km-Runde starten. Nachdem wir geklärt hatten, dass es für Bernd okay war, nicht zwei Mal dieselbe Strecke zu laufen, begann das Getüftel.

Ich erinnerte mich an eine 50km-XXL-Lauftreff-Route von Harald Reiff (Berliner Nordwesten), die ich mal mit Steffen Bruntsch gelaufen war.  Sehr anspruchsvoll und kaum geeignet, um mit einem Fahrrad begleitet zu werden, aber wenigstens die Hälfte davon wollte ich gerne übernehmen. Es fehlte (nach etwas Getüftel) noch ein 20 bis 25km Teilstück; am besten eine Schleife, die an Supermärkten oder Tankstellen vorbei führt.

Auch bei 31 Grad trifft man unterwegs… weitere LGM-Ultraläufer!
Am Samstag starteten wir um 6:40 Uhr, am S-Bahnhof Hermsdorf, ins Tegeler Fließ, Richtung Schwarzer Weg, und begannen unsere See-Umrundung. Die Temperaturen stiegen bald bis auf 31 Grad und die Atmosphäre wurde immer drückender; es war ein Gewitter angekündigt. Die Regenwahrscheinlichkeit lag bei 90%, zwischen 12 und 15 Uhr.

Wenn ich mich recht entsinne, begegneten wir Sonja und Tom irgendwo zwischen der Kleingarten-Kolonie (Die Wannseeaten) und der „Bürgerablage“… Ein kurzer Plausch und weiter ging es in entgegengesetzte Richtungen. In Spandau pausierten wir vor einem Supermarkt und füllten unsere Flüssigkeits-Vorräte wieder auf. Über Eiswerder liefen wir erst ein wenig in Richtung Siemens-Stadt, dann „hinunter“ nach Saatwinkel, um kurz vor der Greenwich-Promenade (am Kanonen-Platz) eine Rast einzulegen, bevor wir vor der Sechser-Brücke wieder ins Tegeler Fließ abbogen. Vorbei an „Wasserbüffeln als Landschaftspfleger“ erst in Richtung Hermsdorf, dann weiter in Richtung Lübars. Ein Wind kam auf und das Gewitter kündigte sich an. Wir liefen etwas schneller.

Wenn es nach 50 Kilometern (noch nicht) vorbei ist….
Als wir bei Kilometer 49,8 Stefans Zuhause erreichten, brach das Unwetter los: Blitz, Donner, Hagel und Regen! Wir waren über den VP, in Stefans Heim, mindestens so glücklich wie Stefan, der mit diesem Lauf sein Debüt bei den Ultra-Distanzen geschafft hatte; nochmal „Herzlichen Glückwunsch“ an dieser Stelle! Wir saßen im Warmen und Trockenen und lauerten, bis das Unwetter (vorerst) vorüber war… Immerhin wollten wir noch weitere 50 Kilometer laufen.

Als der Regen nachgelassen hatte, machten sich nun noch Claudia, Anja, Bernd und ich wieder auf den Weg: Diesmal zunächst in Richtung Arkenberge, dann nach Mühlenbeck.

Gerade am dortigen S-Bahnhof angekommen, hatten wir das Gewitter ein zweites Mal direkt über uns. Wir warteten in der Bushaltestelle auf besseres Wetter. Als der Regen etwas nachließ, machten wir uns wieder auf den Weg, nun nach Schönfließ. Ich betrachtete die sich drehende Wetterfahne auf dem dortigen Kirchturm und begriff nicht so richtig, was die sich drehende Fahne mir mitteilte…Als wir uns Glienicke näherten, sahen wir das Gewitter ein drittes Mal auf uns zukommen; der Wind hatte gedreht!

Nun wird es bitter: Schon wieder Gewitter!
Nun wurde es richtig bitter:  Sturzbäche ergossen sich und flossen die Straßen hinunter. Es hörte nicht mehr auf zu regnen und das Gewitter war – schon wieder- direkt über uns. Bereits in Mühlenbeck hatte ich alle langen Klamotten angezogen, die ich dabei hatte. Jetzt half gar nix mehr. Ich kühlte dermaßen schnell aus, dass ich nur noch nach Hause wollte…

Claudia, Anja und Bernd zogen tapfer weiter, während ich mich schleunigst in Richtung heimischer Dusche bewegte. Ich kam auf 66,96 Kilometer, statt der angepeilten 100 Kilometer…und fühlte mich „gescheitert“!
Dabei wären einige der – noch vor uns liegenden – Streckenabschnitte gar nicht mehr laufbar gewesen: Wald- und Wiesenwege, durch sumpfiges Gebiet (Meiner Ansicht nach die schönsten Passagen von Haralds Berliner Nordwesten)!

Sich nicht vom Blitz erschlagen lassen, ist vielleicht auch nicht doof
Aber: Es nagt an Einem, wenn man das selbst gesteckte Ziel nicht erreicht, weil Einem das Wetter einen fetten Strich durch die Rechnung macht. „Hättste mal ne Regenjacke mehr eingesteckt“, aber die hätte bei diesen Witterungsverhältnissen auch keinen Unterschied mehr gemacht und die Erinnerung daran, drei Mal ins selbe Gewitter geraten zu sein, bestärkt mich eher darin zu sagen: Vielleicht ist es manchmal gar nicht so doof, sich nicht auf offenem Feld vom Blitz erschlagen zu lassen, nur weil man „unbedingt“ schaffen möchte, was man sich vorgenommen hat?.

Und: Klar fühl ich mich leicht geknickt.

Und: Natürlich habe ich ein schlechtes Gewissen, Anja, Claudia und Bernd „hängengelassen“ zu haben.

Trotzdem überwiegt die Freude. Warum? Weil wir in einer gemeinsamen Aktion soo viele schöne Kilometer, bei nahezu subtropischen Verhältnissen, gelaufen sind …während eine Autofahrerin – im Schritttempo vorbeifahrend – Bernd durchs runtergelassene Fenster fragte: Ob er einen Hitzschlag bekommen will? …und Anja bei einer Badestelle, in Saatwinkel, zugerufen wurde: Mädel, dit is doch Badewetter und keen Lauf-Wetter!

Abschließend ein ganz großes Dankeschön an unsere Radbegleitung: Claudia! Sie tauschte am Ende noch mit Anja. Claudia lief (nachdem sie schon 61 Kilometer im Sattel verbracht hatte) 13 Kilometer. Anja lief 61 und Bernd brachte es am Ende auf 74 Kilometer!“ 

Text & Fotos: Patrick Roß

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