„Was, die starten um 8 Uhr?“ So mein leicht entsetzter Ausruf vergangenen Freitag, als ich die Ausschreibung für den Burgenlauf in Bad Belzig, bei dem Tom und ich uns für den 50km-Ultra angemeldet hatten, mal etwas genauer in Augenschein nahm. Ok, ausschlafen als Läufer am Wochenende ist an Wettkampftagen generell schwierig – aber dagegen war die Startzeit von halb zehn beim Bremen-Marathon, den wir am Wochenende zuvor gelaufen waren, ja direkt entspannt gewesen. Zumal wir dort das Hotel in Startnähe gehabt hatten, während wir für den Burgenlauf direkt von Berlin zum Start aus anreisen wollten – sprich eine Stunde Fahrtzeit – und in Bremen unsere Startunterlagen schon am Vortag abgeholt hatten, während wir sie für den Burgenlauf noch morgens vor dem Wettkampf abholen mussten – bis spätestens halb acht.

Naja, hilft ja nichts (Tom: „Was hast du, der Start für den Thüringen Ultra war morgens um vier!“ – stimmt auch wieder), also um viertel nach fünf aufgestanden, Kaffee und Brötchen für ein Autofrühstück eingepackt und los. Das erste Naturschauspiel noch vor dem Lauf erwartete uns direkt auf der Autobahn – der Oktober-typische riesige, blutrote Vollmond über nebelverhangenen Wiesen. Ein Anblick, den dann wohl nur wir Ultra-Läufer zu sehen bekommen würden. Denn alle anderen Läufe starteten erst ab viertel vor zehn, und die für selbige Strecken angemeldeten Läufer schliefen sicherlich noch friedlich.

Start morgens um 8 Uhr: Noch Morgentau auf den Wiesen, aber der Nebel war weg.


Lauf mit Historie
Falls sich hier jemand gerade fragt, „Welche anderen Läufe?“: Der Burgenlauf hat eine lange Historie, er findet bereits seit 1978 statt – der „Klassiker“ ist der 25 km-Lauf. In den Jahren darauf kamen eine 8-km-Strecke sowie ein Junior- und Kids-Lauf mit 3,3 bzw. 1,4km hinzu, so dass hier für jeden Laufbegeisterten etwas dabei war. Jeden Laufbegeisterten?

„Eigentlich wäre die Strecke perfekt für einen Ultra, dann würde der Name Burgenlauf auch noch viel besser passen „, hatte sich Tom vor ein paar Jahren gedacht. Denn statt dass wie beim 25km-Lauf nach dem Start in Bad Belzig nur die Wiesenburg touchiert wird, bevor es wieder zurück geht, „könnte man eine Strecke von Burg Eisenhardt über Burg Rabenstein und die Wiesenburg zurück nach Bad Belzig machen – das müsste mit 50 Kilometern gut hinzukriegen sein.“ Er sprach dann mit unserer Lauffreundin Anke Siegl vom veranstaltenden örtlichen Sportverein SV Päd. Med. & Co. e.V. und anschließend mit Vorstandsmitglied Stephan Schürer, wo er mit der Idee offene Türen einrannte – allein: „Wir kennen uns ja mit Ultraläufen überhaupt nicht aus.“

Die LG Mauerweg aber ja schon – und so geschah es, dass im September 2020 eine Handvoll Mauerwegläufer Toms neuen 50km-Track probelief und die Strecke für richtig schön befand. Der Ultra sollte dann auch sogleich offiziell ins Programm des Burgenlaufes aufgenommen werden – Corona machte dem 2020 jedoch einen Strich durch die Rechnung. Offiziell fand der Ultra damit erstmals 2021 statt – nur dass Tom und ich im vergangenen Jahr gesundheitlich beide Mitte Oktober angeschlagen waren und daher nicht mitlaufen konnten. Umso mehr war es dann der Plan für dieses Jahr, und deswegen saßen wir nun im Auto…

Vor der Wiesenburg im September 2020 mit Läufern der LG Mauerweg beim Streckenprobelauf.


Ambitionierte Cut-off-Zeit
Kurz nach 7 Uhr kamen wir an der Burg Eisenhardt an, und bekamen problemlos einen Parkplatz – auch ein Vorteil gegenüber den später Startenden ;-). Beim Unterlagen-Abholen sichteten wir so einige bekannte Gesichter, davon ein Großteil schnelle Läufer. Kein Wunder, war doch die Cut-off-Zeit mit sechs Stunden ziemlich ambitioniert.

Durch Wiesen und Wälder…
…über Straßen und Felder:
Der Burgenlauf ist sehr vielfältig.



Die Sonne schien prächtig, es war nur a…. – ußerderordentlich kalt. Vier Grad zeigte das Thermometer, und so waren alle froh über den pünktlichen Startschuss, der mit dem letzten Satz des Briefings exakt zusammenfiel. War das absichtlich so getimt oder einfach Glück? Egal, jetzt ging es los und wir konnten uns warmlaufen – Downhill von der Burg auf die Straße und dann im Zickzack durch Bad Belzig ab in die Felder und in den Wald. Ziemlich schnell sortierte sich das Läuferfeld – und zwar dergestalt, dass Tom und ich uns bereits nach wenigen Kilometern am Ende desselben wiederfanden.

Was angesichts des Zeitlimits wenig wunderte – hier waren eher die ambitionierten Ultraläufer an den Start, während viele weniger wettkampforientierte Läufer vor dem 6-Stunden-Limit zurückgeschreckt waren und sich erst gar nicht angemeldet hatten. Aber der Verein hatte Tom ja versprochen, für Anpassungen in den kommenden Jahren offen zu sein, und so „testeten“ wir die Strecke mit Genussläuferpace von >7min/km, was uns angesichts des Marathons am vergangenen Sonntag und zugegebenermaßen auch angesichts unseres aktuell nicht gerade tempoorientierten Trainingszustands ganz gut zupass kam.

Ein goldener Oktobertag wie aus dem Bilderbuch
In der Morgensonne über die Felder zu laufen, war einmalig schön: Lichtbestrahlte gelbe, rote und braune Blätter leuchteten mit vereinzelt verbliebenem Grün um die Wette – ein goldener Oktobertag, wie er im Buche steht. Wir genossen den Lauf in vollen Zügen… das heißt… die Optik war grandios, nur…. die Geräuschkulisse ließ mit Dauermotorgebrumm zu wünschen übrig. Motorgebrumm? Ja, denn die Organisatoren hatten vorbildlich für zwei Ersthelfer gesorgt, die die Läufer auf der Strecke begleiteten – und einer von ihnen sicherte hinten die Strecke ab. Das war nett gemeint, störte jedoch unseren Laufgenuss dermaßen, dass wir ihn nach ca. 8 Kilometern höflich vorbeiwinkten und ihm den Grund dafür zuriefen. Er nickte verständnisvoll und knatterte an uns vorbei, Richtung Hauptfeld.

Kurz genossen wir die Stille, bis wir wieder an ihm vorbeikamen. Er hatte jedoch nicht freiwillig auf uns gewartet, sondern ihm war sein schweres Motorrad in einer Unebenheit weggerutscht – und angesichts der massigen Maschine gelang es ihm nicht, sein Gefährt allein wieder aufzurichten. Wir stoppten also kurzerhand für Erste Hilfe am Ersthelfer und wuchteten das Motorrad zu dritt wieder in die Senkrechte. Dann liefen wir wieder los, kurze Zeit überholte er uns, bedankte sich – und wart fortan für den Rest des Laufs nicht mehr gesehen. Wir hoffen, auch er ist gut ins Ziel gekommen und nicht in eine weitere unfreiwillige Rutschaktion verwickelt worden…

Mit insgesamt sechs VPs großzügig versorgte Strecke
Apropos verwickeln: Tom verwickelte alle Versorger – bei dem mit sechs VPs großzügig ausgestatteten Lauf – in Gespräche und fragt ab, seit wann sie dort standen und ob sie eventuell auch eine Stunde eher anfangen würden… Seine Idee war, dem Verein vorzuschlagen, einen um 60 Minuten früheren Start für langsamere Läufer anzubieten, um ein Finish innerhalb von bis zu sieben statt maximal sechs Stunden zu ermöglichen und so nicht nur wettkampf-orientierte Läufer anzusprechen (immerhin haben die 25-Kilometer-Läufer über 4 Stunden Zeit für ihre Strecke, so dass auch dort nicht nur Wettkampf-orientierte Sportler unterwegs sind). Wie sich rausstellt, sind die beiden freundlichen Damen an VP1 und VP2 dazu gern bereit, und bei VP3 würden die schnellsten Läufer schon ohnehin um die gleiche Zeit wie die Frühstarter auflaufen, so dass es zeitlich keinen Unterschied mehr macht.

Der „Help-yourself“-VP 3 am Fuße der Burg Rabenstein

VP3 ist übrigens bei km 23, unten am Fuße der Burg Rabenstein, nachdem man die rund zwei Kilometer lange, höhenmeterreiche Schleife an der Burgmauer vorbei hinter sich hat. Wir hatten den VP eigentlich oben an der Burg erwartet, wäre auch gut gewesen, um hier die Teilnehmer amtlich „abzuhaken“. Hier und heute schummelte natürlich keiner, aber wer weiß, was passiert, wenn das Event erstmal dreistellige Teilnehmerzahlen umfasst…

Tom unterbreitete diesen Verbesserungsvorschlag gleich dem freundlichen Herren an VP3, der nach einigen Minuten „Selbstbedienung“ unsererseits aus dem neben gelegenen Häuschen auf uns zukam. Tom stutzte allerdings, als jener Herr fragt: „Was ist denn das hier? Laufen Sie hier?“ Wie sich rausstellte, war er nur ein Tourist und der eigentliche VP-Betreuer abhandengekommen (kümmerte sich vermutlich in seinem Häuschen um Burg-Rabenstein-Touristen).

Highlight dagegen der VP 4. Hier waren eine Musikbox und vier freundliche junge Menschen am Start, die sichtlich Spaß hatten und zudem ein Buffett aufgefahren hatten, das noch der LG Mauerweg Konkurrenz machte. Der Tisch brach geradezu unter den Bergen von geschmierten Brötchenhälften, gekochten Kartoffeln und Co. „Wie viele kommen denn noch?“ fragten sie erwartungsfroh. Mit unserem „Wir sind die letzten“ hatten sie offensichtlich nicht gerechnet. „Als Letzter sollte doch ein Motorrad kommen…“ – „Der hat uns überholt, war der nicht hier?“ – „Nein.“ Hm. Wir erzählten von unserem „Einsatz am Ersthelfer“, die VP-Crew revanchierte sich mit Anekdoten von den bisherigen Läufern („Der erste hat nicht mal angehalten“), dann müssen wir zu unserem Bedauern wieder los.

Wow-VP 4: Wer soll das noch alles essen?

Verlaufen (fast) unmöglich
Zwar hatten wir jetzt mehr als die Hälfte geschafft, dennoch waren es immer noch über 20 Kilometer, die wir „ablaufen“ mussten. Kalt war es allerdings überhaupt nicht mehr, mit 16 Grad im Schatten und über 20 in der Sonne das reinste T-Shirt-Wetter.

VP 5 hinter der Wiesenburg suchten wir eine Weile, bis uns ein Mann mit einem Pick-up ansprach: „Seid ihr noch vom Burgenlauf?“ Als wir bejahten, fragte er „Wasser oder Cola?“, drückte uns dann mit einem „Muss nach Hause“ je eine Flasche des Gewünschten in die Hand und fuhr wieder los. Wir waren etwas irritiert, zumindest so sehr, dass wir unbemerkt vom Track abkamen. Und das war bei der hervorragenden Auszeichnung von Anke – an jeder Wegabzweigung mindestens ein Pfeil vorher und einer hinterher (Motto: „Du läufst richtig!“) – eigentlich gar nicht möglich. Bzw. zumindest wussten wir sofort, dass wir falsch waren, da plötzlich trotz zahlreicher Abbiegemöglichkeiten keine Pfeile mehr den Boden zierten. Also zurück – und zum Glück hatten wir den Track ja auch auf unseren Uhren – und auf zu den letzten 12 Kilometern. Sonne und Herbstwald genießen – auch wenn die Füße mittlerweile ein ganzes Stück schwerer geworden waren.

Vorbei an der Wiesenburg, mit mehr als 35 km in den Beinen und auf der Suche nach VP 5….

Wir hatten damit gerechnet, dass auch VP 6 schon die Heimfahrt angetreten hatte, schließlich näherten wir uns hart der Cut-off-Zeit (14 Uhr). Doch dieser war zwar etwas rück- aber noch aufgebaut, und die beiden Herren, offenbar sehr Burgenlauf-kundig und seit Jahren dabei, gaben gern noch Cola und Traubenzucker aus. Zudem waren sie alsbald mit Tom in ein engagiertes Gespräch vertieft, was sich wie am Ultra beim Burgenlauf verbessern ließe. Ich wollte aber – auch wenn wir die sechs Stunden nicht mehr schaffen würden – natürlich noch und das möglichst bald ankommen, und so zog ich meinen Mann irgendwann energisch am Ärmel, woraufhin die VP-Männer uns ein „Wir sehen uns auf der Burg!“ hinterherriefen.

Zielbier im historischen Burghof

Ja, die Burg. Der offizielle Zielschluss von 14 Uhr war seit 30 Minuten vorbei, als wir das Kopfsteinpflaster der Burg Richtung Zielbogen hochsprinteten. Der immerhin stand noch da, und auch wenn die offiziellen Zeitnehmer schon abgebaut hatten, so waren Vertreter vom Verein noch vor Ort, um unsere Zielzeit zu stoppen und uns die – sehr schönen, und ziemlich schweren – Medaillen umzuhängen. Auch im Burghof wurde uns ein freudiger Empfang zuteil – von Anke, aber auch von den Mauerwegläufern Jörn Seelig und Steffen Bruntsch, die ebenfalls am Lauf teilgenommen hatten. Allerdings wurden um uns herum Stühle und Bänke und alles andere, was zur „After-Race-Party“ gehörte, schon abgebaut. Immerhin gelang es Anke noch, uns ein Zielbier zu organisieren.

Angekommen auf Burg Eisenhardt.
Zielbier mit Jörn Seelig (links) und Anke Siegl.

Fazit: Ein toller Lauf, sehr liebevoll organisiert vom Verein und vielen engagierten Leuten, mit wunderschöner Naturstrecke, zumal bei „goldenem Oktober-Wetter“ – nur mit dem 6-Stunden-Cut-Off schwierig für die „Masse der Ultraläufer“ (über den Begriff hatte sich die Dame an VP 1, als Tom mit ihr über die Möglichkeit eines Frühstarts für Genuss- und Trainingsläufer sprach, nahezu scheckig gelacht, Motto: „Als wenn es eine Masse gäbe, die so bekloppt ist, solche Strecken zu laufen!“ Dabei wollte Tom nur ausdrücken, dass die Mehrheit der Ultraläufer an solchen Naturläufen nicht wettkampforientiert teilnimmt…).

Urkunde und Finisher-Medaille

Aber Stephan Schürer hat bereits mit Tom ausgemacht, sich über Verbesserungsmöglichkeiten für die kommenden Jahre auszutauschen, da erklärtes Ziel ist, die Teilnehmerzahl auch bei den Ultra-Läufern zu steigern. Bereits nach dem ersten Jahr wurden durch Feedback von den Läufern einige Verbesserungen (zum Beispiel hinsichtlich des Streckenverlaufs und bezüglich der Verpflegung) durchgeführt. Wir sind jedenfalls sicher, dass der Burgenlauf-Ultra großes Potenzial hat und kommen auf jeden Fall gerne wieder – der Termin für 2023 steht schon im Kalender.

Text: Sonja Schmitt
Fotos: Steffen Bruntsch, Sonja Schmitt, Tom Schmitt


PS: Noch ein paar Impressionen von der Strecke:










Ein Kommentar

  1. Du schreibst wirklich ganz wundervoll, liebe Sonja! Vielen Dank für diesen schönen Bericht! Der Burgenlauf Ultra hat auch mich schwer begeistert, muss ich sagen! Danke Tom, für diese Idee! Fantastische Landschaft, abwechslungsreiche Strecke mit vielen Höhenmetern, top Streckenmarkierung, ausgezeichnete Orga, dicht bei – absolute Empfehlung! Und, das muss ich erwähnen: Ich stehe ja eher nie auf einem Podium, hier habe ich es in der M50 geschafft und sogar einen Preis dafür bekommen – das war toll! Grüße vom Jörn

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